Verbrennungsmotoren – Mein Nachruf auf ein totes Pferd

Im Jahr 1900 war die 5th Avenue in New York City zu Ostern vollgestopft mit Pferdekutschen. Nur ein einziges Auto war zu sehen.

Im Jahr 1913 war dieselbe Straße zu Ostern vollgestopft mit Autos. Keine Pferdekutsche weit und breit – und das nur 13 Jahre später!

Dieses Spielchen werden wir im Jahr 2030 noch einmal spielen – nur dieses Mal werden wir Schwierigkeiten haben, ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zu finden.

Nachdem ich mich in den letzten sieben Monaten rund 60 bis 70 Stunden mit Elektromobilität befasst habe, komme ich zu dem Schluss: Die Kundennachfrage nach privaten PKW mit Verbrennungsmotoren wird bis 2030 weltweit um mindestens 50% zurückgehen. Dafür braucht es weder staatliche Förderung alternativer Antriebe, noch muss sich der Strommix zugunsten regenerativer Energien entwickeln, denn die besten Argumente liegen jenseits von Politik und Umweltaspekten. Sie liegen in Physik, Ökonomie und Ingenieurwesen.

Punkt 1: Energieeffizienz

Der Gesamtwirkungsgrad beim Elektroauto liegt nach den Energieverlusten bei Kraftwerk, Leitungen, Ladegerät. Batterie, Wechselrichter und Elektromotor bei rund 37%.

Der Gesamtwirkungsgrad beim Verbrennungsmotor liegt nach den Energieverlusten bei Raffinerie, Transport zur Tankstelle, Otto- bzw. Dieselmotor und Getriebe bei 13% (Otto) bzw. 15% (Diesel), hier wunderbar aufgezeigt von Horst Lüning.

Beim Elektroauto muss also 59 bis 65 Prozent weniger Energie aufgewendet werden, um eine bestimmte Strecke zurückzulegen!

Eine der vielen wunderbaren Eigenschaften eines Elektroautos ist, dass beim Bremsen Energie durch Rekuperation in den Akku zurückgeleitet wird.

Punkt 2: Kosten

Kommen wir zum wohl wichtigsten Punkt: den Kosten. Dabei gilt es, die Gesamtkosten (Total Cost of Ownership) zu berücksichtigen, also Anschaffung, Verbrauch, Wartung, Reparatur, Versicherung, Steuern, Wertverlust.

Einer der größten Kostentreiber ist die Batterie. Die durchschnittlichen Kosten eines Batteriepacks haben sich wie folgt entwickelt:

  • 1160 Dollar je kWh in 2010
  • 577 Dollar je kWh in 2014
  • 176 Dollar je kWh in 2018 (25% jährlicher Preisrückgang gegenüber 2014)

(Quelle)

Die Kosten sind also in 4 Jahren um 50 Prozent gesunken, um dann in den folgenden 4 Jahren um weitere 69 Prozent zu sinken.

Dies ergibt Kosten eines 75 kWh Batteriepacks von

  • 87 000 Dollar in 2010
  • 43 275 Dollar in 2014
  • 13 200 Dollar in 2018

Das erklärt, warum Tesla zuerst Autos im Preisbereich 100.000 bis 130.000 Dollar herausgebracht hat und erst jetzt ab 45.000 Dollar (nach Abzug der staatlichen Zuschüsse sinkt der Preis unter 40.000 Dollar).

Maarten Vinkhuyzen hat die Kostenkurve eines elektrischen 60 kWh Antriebsstrangs über die Kostenkurven der Antriebstechnik von Verbrennern aus 6 verschiedenen Preissegmenten gelegt, die Jahr für Jahr teurer wird (vor allem durch immer strengere Abgasvorschriften). Dabei wird auf der Elektro-Seite nicht nur die Preisentwicklung der Batterie berücksichtigt, sondern auch die Entwicklung bei Leistungselektronik, Batterie- und Motormanagement-Computern, Motoren und Getrieben und daraus ein kombinierter Preisverfall von 7% pro Jahr angenommen. (Wir erinnern uns, dass die Batteriepacks um 25% pro Jahr günstiger geworden sind zwischen 2014 und 2018)

(Quelle)

Mit der Grafik wird klar, warum der Nissan Leaf 2010 in seinem Segment nicht konkurrenzfähig war, das Tesla Model S 2012 aber schon.

Weiterhin wird durch die Grafik erklärt, warum Tesla mit dem Model 3 in seinem Segment so erfolgreich ist, während General Motors mit dem Chevrolet Bolt ein paar Jahre zu früh dran war, um eine Chance zu haben.

Und sie erklärt, warum die Autohersteller in den nächsten 30 Monaten eine gigantische Elektro-Modelloffensive vor allem im C-Segment starten, während die Konkurrenzfähigkeit im A- und B-Segment noch ein paar Jahre auf sich warten lassen wird.

Die folgende Grafik zeigt den unfassbaren Erfolg des Tesla Model 3 gegenüber den vergleichbaren Verbrennern.

Wer meint, es sei unfair, nur die USA zu betrachten, dem sage ich: Nur hier ist bislang Vergleichbarkeit gewährleistet, denn in Asien und Europa muss Tesla seine Autos teurer anbieten durch hohe Zölle und hohe Transportkosten aus Kalifornien, während BMW, Audi und Mercedes diesen Nachteil in den USA nicht haben, da sie dort produzieren. Über Asien können wir gern sprechen, wenn dort in 6 bis 9 Monaten die ersten Teslas vom Band rollen.

Bisher haben wir lediglich über die Anschaffungskosten gesprochen, die in absehbarer Zeit – hier sind sich alle Experten von denen ich gehört habe einig – in allen Preiskategorien unter die Preise vergleichbarer Verbrenner fallen werden.

Hinzu kommt, dass der Verbrauch geringer ist (Kosten des Ladens vs. Kosten des Tankens).

Beim Elektroauto muss weniger gewartet und repariert werden, weil es deutlich weniger Teile gibt. Man braucht keine Zündkerzen, Öl, Keilriemen, Zahnriemen, Kraftstoffpumpe, Auspuffanlage, Luftfilter, Turbolader und so weiter. Dies begünstigt auch geringere Herstellungs- und damit Anschaffungskosten durch niedrigere Kosten für Material und Personal.

Die Tesla-Modelle, bei denen man bereits Aussagen zum Wertverlust treffen kann (Model S, Model X) zeigen, dass der Wertverlust geringer ist als bei Verbrenner-Modellen derselben Preisklasse. (Quelle z.B. hier)

Punkt 3: Sicherheit

Durch den Wegfall des sperrigen Verbrennungsmotors, der viermal so schwer ist und weiter oben sitzt als der Elektromotor, können Knautschzonen besser realisiert werden, wodurch die Sicherheit für die Insassen steigt.

Zudem ist die Brandgefahr laut der Amerikanischen Behörde für Straßensicherheit (NHTSA) bei Verbrennern fünfmal so hoch wie bei Elektroautos (ein Brand je 20 Mio. Kilometer vs. ein Brand je 100 Mio. Kilometer). Hinzu kommt, dass sich ein Batterie-Brand sehr viel langsamer ausbreitet.

Zudem besteht bei den über 50 Fahrzeugen, die seit 2011 von der Amerikanischen Behörde für Straßensicherheit getestet wurden, bei den drei Tesla-Modellen die geringste Verletzungsgefahr. (Quelle)

Punkt 4: Fahrgefühl

Elektromotoren setzen das Drehmoment beim Anfahren sofort frei und können somit besser beschleunigen. Außerdem ist die Straßenlage besser durch den niedrigeren Schwerpunkt, denn die schwere Batterie wird unter den Füßen der Passagiere verbaut. Der Verbrennungsmotor mit seiner ungünstigen Lage wiegt viermal so viel wie ein vergleichbarer Elektromotor (der auch weiter unten sitzt als beim Verbrenner) und hinten schwappt kein Treibstoff herum. Somit fährt man elektrisch „wie auf Schienen“. Und das auch noch leiser als beim Verbrenner. Hier zwei tolle Bilder sowie ein Video zur Beschleunigung.

Hier ein weiterer Vergleich:

Und hier noch ein lustiges Video:

Punkt 5: Platzangebot

Ein Elektroauto benötigt keine Auspuffanlage, keinen Tank und einen deutlich kleineren Motor. Trotz des Batteriepacks bleibt so im Innenraum mehr Platz für die Passagiere. Wer erstmals in ein reines Elektroauto steigt, der wundert sich, wie viel Platz man im Verhältnis zu den Außenmaßen hat.

Fazit

Wenn ein Produkt preiswerter ist, sicherer, energieeffizienter, spaßiger, geräumiger und leiser, dann wird sein Siegeszug von niemandem aufzuhalten sein – weder von der Politik, noch von der Ölindustrie, den Petrolheads in der Automobilindustrie, den Medien oder Shortsellern.

Auf sämtliche Ängste wie zu geringe Reichweiten oder zu dünne Ladeinfrastruktur bin ich bereits HIER eingegangen und dann noch einmal HIER speziell auf die Vorteile von Tesla.

Die Realität sieht bisher wie folgt aus:

In der relativen Entwicklung wird deutlich, dass das Wachstum nicht abflacht:

  • 2012: + 152 %
  • 2013: + 69 %
  • 2014: + 51 %
  • 2015: + 76 %
  • 2016: + 37 %
  • 2017: + 58 %
  • 2018: + 64 %

Im Gegenteil! 2018 sahen wir das höchste Wachstum seit 2015.

Was sagen die Experten?
Bloomberg geht davon aus, dass Elektroautos 57% der Autoverkäufe in 2040 ausmachen (Quelle), JP Morgan erwartet 59% bereits in 2030. (Quelle)

China, der größte Automarkt der Welt, hat vor drei Wochen einen enormen Anreiz zum Kauf von Elektroautos geschaffen – hier lag der Elektro-Anteil an den Neuzulassungen von Januar bis Mai 2019 bei knapp 6 Prozent (Quelle). Dort muss man in Großstädten an einer Lotterie teilnehmen, um das Recht zu bekommen, ein Auto kaufen zu dürfen. In Peking allein warten derzeit 3 Millionen Menschen darauf. Jetzt hat die Regierung Elektroautos von dieser Beschränkung ausgenommen für 2019 und 2020. (Quelle)

2007 haben sich Führungskräfte von Nokia und Microsoft totgelacht über das iPhone von Apple. Ihr Lachen verging schnell, ebenso wie es zuletzt BMW, Audi und Mercedes vergangen ist, die ihre Felle davonschwimmen sehen.

Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.“

55 Gedanken zu „Verbrennungsmotoren – Mein Nachruf auf ein totes Pferd

  1. Ein weiterer toller Beitrag von Maarten Vinkhuyzen:

    Peugeot CEO Carlos Tavares Is An EV Noob

    […]

    Henry Ford famously said (or is rumored to have said) that if he had asked his customers what they wanted, they would have answered: “Faster horses.” Steve Jobs did not ask his customers whether they wanted a smartphone. All the “experts in marketing” said the smartphone was a bad idea. Tony Seba always uses the example of AT&T asking McKinsey about the market prospects of the cell phone, which turned out to be 200 times higher than they predicted.

    You can’t ask customers what they want when they don’t know the product. But you can predict it based on behavior analyses. New products that are clearly superior can first find a niche as luxury products. Think of high-resolution flatscreen TV sets. When the price drops below the price of the product it replaces, that old product is wiped out, very quickly wiped out. Electric vehicles are superior driving machines. Battery electric powertrains are dropping in price. All fossil fuel powertrains are increasing in price. There is only one outcome possible. No market research needed to know what that is.

    […]

    For the C-segment in which the Golf rules, the choice is still too expensive or has too small a battery. VW hopes to get the ID.3 at the intersection of those two choices, just enough battery without making it too expensive. Price parity is for the luxury D-segment and up. Everything below the Golf is a combination of too small a battery with too high a price. The market for these models is growing, but even with subsidies, there is no mass-market acceptance. To be successful, possible even without subsidies, you must start at the top.

    […]

    Buyers are just getting the best car their money can buy. That it gives them a greener image is a bonus for some, and a disadvantage to others. The main reason that only a small portion of the buyers choose the EV is simply a matter of awareness. In Dutch, there is a saying: “unknown makes unloved.” This where word of mouth will show its value for the EV market. Hearing firsthand from a neighbor, colleague, or relative how much better an EV is to drive and that it can be very nice for your wallet is what starts and accelerates the S-curve in demand.

    […]

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  2. Pingback: Honigdachs Tesla attackiert die deutschen Dinosaurier bei Preisen und Gewinnen | Stefans Börsenblog

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