Mein ehemaliger VWL-Professor hat im ersten Semester immer auf seiner letzten Folie den Klops der Woche präsentiert – eine aktuelle und besonders einfältige Aussage eines Politikers. Mein Klops der Woche geht heute an Vizekanzler Sigmar Gabriel.
Es könne nicht sein, dass „jemand, der auf dem Sofa liegt und Aktien hat, weniger Steuern zahlt als einer, der jeden Tag arbeiten geht“, wird Gabriel heute in der Printausgabe der Rheinischen Post zitiert. (Quelle)
Eine solche Aussage ausgerechnet von jemandem zu hören, der die Einführung von Abgeltungssteuer und Riester-Rente mitbestimmt hat, ist schon ziemlich schizophren.
Der Wirtschaftsminister, der dem Populismus schon immer sehr nahe stand, geht hier auf Stimmenfang, nachdem die letzten Sonntagsumfragen zur Bundestagswahl seine Sozialdemokraten nur noch zwischen 20% und 23% sehen. (Quelle)
Ich frage mich, ob Herr Gabriel stolz auf die Einführung der Riester-Rente ist. Die Gebühren sind astronomisch hoch, die Rendite gering, um nicht zu sagen lausig. Dazu hier und hier mehr.
Eigentlich sollte es andersherum sein: geringe Gebühren, hohe Renditen. Komisch, dass andere Länder das schaffen (z.B. USA, Großbritannien, Australien, Norwegen), nur wir doofen Deutschen nicht.
(Link zu Tim Schäfers Artikel)
Man kann stundenlang darüber streiten, ob es fair ist, dass Kapitalerträge von Spitzenverdienern „nur“ mit 26,375% (ggf. zuzüglich Kirchsteuer) versteuert werden. Ebenso diskussionswürdig ist die Tatsache, dass Ausschüttungen bereits versteuerter Unternehmensgewinne vom Aktionär erneut versteuert werden müssen.
Doch hier vergreift sich der Vizekanzler meiner Meinung nach im Ton.
Ich arbeite Vollzeit. Nach einem harten Arbeitstag gehe ich auf die Suche nach Altersvorsorge-Alternativen zum Gebührenmonster namens Riester-Rente. Meine Dividenden und Kursgewinne werden mit 26,375% versteuert. Diesen Beitrag zum Wohle der Allgemeinheit leiste ich ohne Murren.
Wenn dies nun rechtfertigt, mich als auf dem Sofa liegenden, faulen Sack darzustellen, dann bin ich liebend gern ein fauler Sack, Herr Gabriel.
Aber was soll der SPD-Vorsitzende von den Sorgen der kleinen Leute wissen? Er selbst stand nie in privatwirtschaftlichen Verhältnissen und hatte vom ersten Tag im Bundestag an für den Rest seines Lebens ausgesorgt – auf Kosten fauler Säcke wie mir.
Die Altersvorsorge in Deutschland ist ein Hohn. Da wundert es nicht, dass immer mehr Hochqualifizierte das Land verlassen, was wiederum den SPD-Wähleranteil erhöht.
Herr Gabriel schert hier alle über einen Kamm – von Familie Quandt, die im vergangenen Jahr 815 Millionen Euro an Dividenden erhielt (Quelle) bis hin zur Krankenschwester, die 50€ pro Monat in einen Aktien-ETF zur Altersvorsorge investiert und 50 weitere für ihre Kinder. Alles faule Säcke, nicht wahr?
Den Klops der Woche haben Sie sich redlich verdient. Und nun stellen Sie sich in die Ecke und schämen Sie sich für die Einführung der Riester-Rente, Herr Gabriel.
Einen weiteren Kommentar findet ihr hier.
Ich rechne schon länger damit, dass Kapitalerträge ab 2018 oder spätestens 2019 wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern sein werden. Derartiges hört man immer wieder von Seiten der Union und SPD. Mein einziger Hoffnungsschimmer liegt darin, dass die FDP als Junior-Koalitionspartner eine oder mehrere dieser möglichen Reduzierungen der Belastung durchsetzen wird (zusätzlich zur Abschaffung der Abgeltungssteuer):
- Erhöhung der Freibeträge auf Kapitaleinkünfte
- Wiedereinführung des Halbeinkünfteverfahrens
- Wiedereinführung der Regelung, dass Kapitalerträge ab einer Haltedauer von x Jahren steuerfrei bleiben
Die Haltung der FDP zur Altersvorsorge könnt ihr hier nachlesen: Link
Ich lege mich nun auf mein Sofa.
Dass bei einer neuen Regierung etwas zugunsten von Aktionären, die selbst bis weit in die CDU hinein für reine Spekulanten gehalten werden, herauskommen wird, glaube ich nicht einmal im Traum. Das mit der privaten Altersvorsorge wird in Politikerkreisen nicht mit Aktien und Börse in Verbindung gebracht, sondern allenfalls mit Versicherungen.
Nichtsdestotrotz ist auch mir nicht ersichtlich, warum die Quants auf einen derartigen Kapitalzufluss nicht den Spitzensteuersatz zahlen müssen, während ich mit jeden zusätzlich verdientem Euro voll in der Progression lande.
Alle verlangen jetzt eine sozialere EU (sprich mehr Transfers in nicht wettbewerbsfähige Länder) und mehr soziale Gerechtigkeit in D. Dazu habe ich mal die schöne Defintion gelesen, wer „soziale Gerechtigkeit“ sagt, meint, dass mehr Geld vom arbeitenden Teil der Bevölkerung zum nicht arbeitenden Teil fließen soll. Das ist auch erklärtes Ziel der SPD. Steuererhöhung und Schulden machen sind die zentralen Ideen dieser Partei, man hält das für kreativ und zukunftsfähig. Sparen wird in diesen Kreis als Austeritätspolitik diffamiert. Lieber öffentliche Geld vergeuden, es ist schließlich das Geld der anderen Leute.
Sicher die FDP hat andere Konzepte, ist aber politisch bedeutungslos.
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Unfassbare! – Der Kollege sieht selber aus, als ob er die meiste Zeit auf dem Sofa verbringt. Die Aussage ist an Dummheit und Impertinenz nicht zu überbieten. Absolut unwählbar, der Dicke mit der ökonomischen Intelligenz eines durchgefallenen Waldorf-Schülers.
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Hallo Stefan,
dass der Populismus von Herrn Gabriel wirkt, zeigt Dein Artikel ja sehr gut. Finanzblogger und Professoren befassen sich nun damit. Dazu wäre es wohl nicht gekommen, wenn Herr Gabriel sein Anliegen völlig sachlich dargestellt hätte. Dann hätte es niemanden interessiert.
Zur Sache:
Ich bin auch Arbeitnehmer und Anleger. Warum meine Erträge aus der Arbeit höher besteuert werden als die Kapitalerträge habe ich noch nie begriffen. Der Umstand, dass Unternehmensgewinne bereits bei dem Unternehmen versteuert wurden, hilft mir darüber auch nicht hinweg. Denn bei sachlicher Überlegung würde man feststellen, dass unser Arbeitslohn auch von den Unternehmensgewinnen, die ja bereits versteuert wurden, kommt.
Was hat das nun alles mit der Riester-Rente zu tun?! Ich nehme an…nichts?
Gruß:
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Hallo Schwachzocker,
1.) Personalkosten werden in der GuV nicht vom versteuerten Gewinn abgezogen, sondern vom Umsatz. Steigen die Personalkosten, sinkt der Gewinn und damit die auf den Gewinn fällige Steuer.
2.) Was das mit der Riester-Rente zu tun hat? In Gabriels Regierungszeit wurde die Riester-Rente eingeführt, die unflexibel, teuer und renditeschwach ist und dennoch subventioniert wird (im Gegensatz zum Aktiensparen). Aktiensparen und Riester-Rente sind Substitute. Je schwächer das eine, desto mehr Leute treibt man in das andere. Die „faulen Aktiensparer“ sind die Geister, die Gabriel rief.
3.) Du vergleichst Arbeitseinkommen mit Kapitalerträgen. Genauso macht es Herr Gabriel. Und da liegt der Fehler. Es wird nicht zwischen Spekulanten und Investoren unterschieden. Man sollte Spekulationsgewinne wie Arbeitseinkommen besteuern – einverstanden! – aber Aktiensparen so besteuern/fördern wie Riester-Rente, Immobilienkauf/-verkauf & Co.
Die Unterscheidung zwischen Spekulanten und Investoren gab es ja vor 2009, als Kapitalerträge nach einjähriger Haltedauer steuerfrei blieben. Ich würde eine fette Party schmeißen, wenn das wieder eingeführt werden würde. Von mir aus kann die Mindesthaltedauer auch bei 10 Jahren liegen.
Viele Grüße, Stefan
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