Gilead Sciences – Chancen und Risiken

Die höchste Gewichtung in meinem Depot weisen derzeit die Anteile am Pharma-Konzern Gilead Sciences auf. Das wäre nicht so, wenn ich nicht bestens über das Unternehmen informiert wäre und wenn ich nicht von seinen Zukunftsaussichten überzeugt wäre.

Ich bin Gilead-Aktionär. Ich habe ein Interesse daran, dass ihr kauft. Dennoch werde ich in meinem heutigen Beitrag nicht nur auf die Chancen, sondern auch auf die Risiken einer Investition eingehen, ohne eine Kaufempfehlung auszusprechen.

Der Investor in mir mag Pharma-Unternehmen. Medizinische Versorgung werden wir immer benötigen, auch in Wirtschaftskrisen. Meine Wahl fiel jedoch nicht auf Bayer, Merck oder Novartis, sondern auf Gilead.

Das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien wurde 1987 gegründet. In Deutschland weitgehend unbekannt, gehört es mittlerweile zu den 7 umsatzstärksten Konzernen der Pharma-Branche.

Hepatitis C ist eine schreckliche Krankheit, die zum Tod führen kann. Weltweit sind etwa 170 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Jüngst brachte Gilead Sciences die Medikamente Sovaldi und Harvoni auf den Markt.

Mehr als 90% der Behandelten werden nach 8-12 Wochen geheilt. Alles, was sie dafür tun müssen, ist täglich eine von Gileads Wunderpillen einzunehmen. Die Präparate sind revolutionär, denn verglichen mit früheren Behandlungen sind die Heilungschancen höher, die Behandlungsdauer ist kürzer und die Nebenwirkungen sind milder.

Das lässt sich das Unternehmen gut bezahlen. Eine Tablette kostet in den USA etwa 1.000 USD und ist damit 20 Mal so viel Wert wie Gold. Dass die Krankenkassen davon nicht begeistert sind, kann man sich vorstellen.

Ist dieser hohe Preis gerechtfertig? Nun ja… zunächst mal heilt Gold keine Krankheiten. Außerdem setzt Gilead das Geld nicht für Marmor-Fußböden in den Büros und für Wasserhähne aus Elfenbein ein, sondern zur Erforschung neuer Behandlungen gegen HIV, Hepatitis B, Atemwegserkrankungen und Krebs (derzeit laufen mehr als 30 klinische Studien, viele davon im späten Stadium). Außerdem bleibt den Patienten eine Lebertransplantation erspart, die 250.000 USD kostet.

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Gilead hat sich vorgenommen, Hepatitis C komplett verschwinden zu lassen. Man plant in Georgien, wo 7% aller Einwohner mit dem Virus infiziert sind, allen Infizierten die Medikamente kostenlos zur Verfügung zu stellen. Auch zur Behandlung von HIV hat Gilead bereits mehrere Medikamente (u.a. Atripla, Stribild, Complera, Viread) auf den Markt gebracht, daneben das Krebs-Medikament Zydelig.

Der Umsatz je Mitarbeiter, den das Unternehmen 2014 erzielte, ist der Höchste, den je ein Unternehmen erreicht hat. Die Höhe des Gewinns, der vom Umsatz übrig bleibt, ist atemberaubend. Geschäftsführer John Martin, der bereits seit 20 Jahren die Geschäfte lenkt, wurde zum „CEO of the year“ gewählt. Der Umsatz wird dieses Jahr bei 30-31 Milliarden USD liegen.

Gilead hat mehr als 16 Milliarden USD an Cash. Das kann man in die Forschung investieren und in die Übernahme anderer Unternehmen mit aussichtsreichen Medikamenten in der Pipeline. John Martin hat ein überragendes Gespür für sinnvolle Übernahmen.

Das Management ist außerdem investorenfreundlich. Als eines der ersten Biotech-Unternehmen begann man dieses Jahr mit der Zahlung einer Dividende. Zudem genehmigte der Aufsichtsrat im Februar ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 18 Milliarden USD für die kommenden 5 Jahre. Man wird nach und nach Gelder einsetzen, um eigene Aktien zurückzukaufen. Das ist nichts Ungewöhnliches an der Börse. Die Folge: Eine sinkendes Angebot erhöht den Preis – die Aktie steigt.

Trotz der unglaublichen Erfolgsstory sind Gilead-Anteile gemessen am KGV noch äußerst günstig bewertet. Warum ist das so? Auf die Risiken eines Investments werde ich im Folgenden eingehen.

Risiko 1 – Konkurrenz

Die Konkurrenz schläft nicht. Pharma-Riese Merck reichte im Mai bei der FDA ein Medikament zur Prüfung ein, deren Ergebnis noch aussteht. Ein weiterer Konkurrent im Hepatitis C Markt ist AbbVie, musste jedoch kürzlich einen schweren Schlag hinnehmen, als eine Studie erschien, die AbbVies Medikament Viekira Pak eine höhere Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen bescheinigte, die den Konzern dazu veranlasste, die Packungsbeilagen zu ändern.

Risiko 2 – Wechsel im Management

John C. Martin zählt zu den besten Managern der Welt. Doch er ist bereits eine lange Zeit im Unternehmen aktiv und mit 64 Jahren kein Jungspund mehr. Irgendwann wird es einen Wechsel geben und dann ist die Unsicherheit groß. Börsianer hassen Unsicherheit.

Risiko 3 – Stagnierende Umsätze mit Harvoni und Sovaldi

Ein Umsatzwachstum wie in der Vergangenheit ist bei Harvoni und Sovaldi ab 2016 nicht mehr zu erwarten. Das irre Wachstum kann nur durch neue Medikamente aufrechterhalten werden.

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Risiko 4 – Dumme Investitionen

Gilead hat über 16 Milliarden USD auf der hohen Kante. Der Druck ist hoch, dieses Geld nicht an der falschen Stelle auszugeben. Die Aktionäre haben sich an eine intelligente Verwendung der Mittel gewöhnt. Das muss nicht ewig so bleiben.

Risiko 5 – Staatlich gedeckelte Preise

22 Worte bei Twitter – geschrieben von US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton – reichten im September, um die Aktien von Gilead Sciences um 5 Prozent zu verbilligen. Der Hintergrund:

Das vom ehemaligen Hedgefondsmanager Martin Shkeli gegründete Unternehmen Turing Pharmaceuticals kaufte die Rechte an dem Jahrzehnte alten Medikament Daraprim gegen Toxoplasmose. Praktisch über Nacht wurden die Preise von 14 USD auf 750 USD pro Tablette erhöht. Hierzulande kostet eine Tablette knapp 1 Euro, da die Pharmakonzerne hier im Gegensatz zu den USA die Preise nicht so gestalten können wie sie wollen.

Anschließend schrieb Clinton, dass sie etwas gegen derartige Preistreiberei tun wolle. Sollte man deshalb vorsichtig sein beim Einstieg bei Gilead, die ebenfalls hohe Preise verlangen? Folgendes spricht meiner Meinung nach dagegen:

  • Als Präsidentschaftskandidat sagt man, was die Wähler hören wollen. Barack Obama versprach, das „Terroristengefängnis“ in Guantanamo zu schließen, was er bis heute nicht getan hat.
  • Falls sie ein entsprechendes Gesetz durchsetzen möchte, müsste sie zunächst Präsidentin werden und bräuchte anschließend Mehrheiten in beiden Kongresskammern.
  • Clinton sagte später, sie wolle keinesfalls Unternehmen belasten, die in Forschung und Entwicklung investieren.
  • Die Pharma-Branche hat eine mächtige Lobby (PhRMA). Obama spielte 2009 mit dem Gedanken zu einem Gesetz für günstigere Medikamentenpreise. Nach unzähligen Besuchen des PhRMA-Cheflobbyisten Billy Tauzin im Weißen Haus wurde die Idee jedoch verworfen.
  • Selbst bei Einführung eines solchen Gesetzes dürften die Zukunftsaussichten von Gilead Sciences rosig aussehen.

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Wie bereits gesagt: Die Gilead-Aktie ist derzeit günstig, verglichen mit anderen Unternehmen der Branche. Alle von mir aufgezählten Risiken sind bereits eingepreist. Ich würde derzeit nicht gegen den Erfolg von Gilead Sciences wetten.

Dennoch gehört Gilead – wie die gesamte Biotechnologie – zu den riskanteren Investments am Aktienmarkt. Wer von den Zukunftsaussichten der Branche überzeugt ist, jedoch das Risiko eines einzelnen Unternehmens nicht eingehen möchte, der kann einen Biotech-Index in sein Depot aufnehmen.

Egal um welche Aktie es geht: Ich spreche niemandem eine gezielte Kaufempfehlung aus, ohne Zielsetzung, Zeithorizont und Risikobereitschaft des potentiellen Anlegers zu kennen.

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8 Gedanken zu „Gilead Sciences – Chancen und Risiken

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  3. Im Sinne der Diversifizierung habe ich ein Auge auf BB Biotech geworfen.
    Die Zukunftsaussichten sind wohl hervorragend.
    Ist allerdings so gar nicht meine Branche….

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  6. Hallo Stefan, ich sehe Gilead nicht mehr in deinem Portfolio. Hast du die Aktien verkauft? Und wenn ja, wann und warum? Wäre toll ein wenig deine Beweggründe zu erfahren.

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