Bei der Aktienauswahl schaue ich vor allem auf die folgenden Kriterien:
- Hauptsitz (im Hinblick auf politische Stabilität sowie unternehmensfreundliche Politik)
- Geschäftsmodell und Größe
- Langfristige Aussichten für diesen Markt
- Stetige Steigerung von Gewinn und Umsatz
- Marktanteile
- Markteintrittsbarrieren
- Regionale Verteilung der Umsätze
- Eigenkapitalquote
- Umsatzrendite
- Höhe des freien Cash Flow
- Kursentwicklung (langjähriges Mittel, maximaler Verlust)
- Unabhängigkeit von einzelnen Produkten, Kunden und Lieferanten
- Kundenzufriedenheit
- Besitzverhältnisse (Familienunternehmen? Anteile der Geschäftsführung?)
- Attraktivität als Arbeitgeber
Nach jedem dieser Punkte kann das Unternehmen von meiner Watchlist verschwinden. Hat es jedoch sämtliche Prüfungen überstanden, ist nur noch eine Frage zu klären: Wie hoch ist der Preis, den der Markt verlangt?
Zu vergleichen ist dieser Auswahlprozess mit einem Vorstellungsgespräch. Zunächst möchten Bewerber und Unternehmen eine Vorstellung davon bekommen, wie eine künftige Zusammenarbeit aussehen könnte. Am Ende folgt die Gehaltsverhandlung.
Selbst die überzeugtesten Anhänger der Theorie effizienter Märkte dürften mit mir übereinstimmen, dass es vorkommen kann, dass eine Aktie A günstiger bewertet ist als Aktie B. Euphorie, Panik und computergesteuerte Ausführung von Transaktionen sorgen dafür, dass Aktienkurse nicht zu jeder Zeit dem echten Wert entsprechen. Warren Buffett lässt grüßen.
Ich behaupte nicht, mehr zu wissen oder klüger zu sein als „der Markt“ und sicher habe ich nicht den Heiligen Gral der Unternehmensbewertung gefunden, doch ich möchte euch heute ein Werkzeug in die Hand legen, das ihr nutzen könnt, wenn ihr euch anhand der oben genannten Kriterien einfach nicht zwischen mehreren Aktien entscheiden könnt.
Im Zähler: Das KGV
Die Grundlage bildet das KGV – das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Und hier fängt es bereits an, kompliziert zu werden.
Welchen Kurs nehme ich? Den heutigen? Oder vielleicht den, an dem der Gewinn pro Aktie zuletzt ermittelt wurde?
Beim Nenner, dem Gewinn pro Aktie, dieselbe Frage. Nehme ich den zuletzt veröffentlichten? Oder den Schätzwert für das Jahresende? Oder für das Folgejahr?
Wie soll die Gewinnschätzung ermittelt werden? Als Mittelwert aller Analystenmeinungen?
Und welchen Gewinn nimmt man überhaupt? EBIT? EBITDA? Jahresüberschuss? Verwässert oder unverwässert?
Mein Rat: Entscheidet selbst, wie ihr das KGV ermitteln wollt oder auf welcher Website ihr es nachschauen wollt. Es sollte nur einheitlich sein, d.h. immer dieselbe Berechnungsmethode bzw. immer dieselbe Website.
Ich schaue auf http://www.finanztreff.de/
Dort werden die KGVs wöchentlich aktualisiert anhand der neuesten Gewinnschätzungen für das aktuelle Jahr sowie das Folgejahr.
Neben dem KGV gibt es noch das KUV (Kurs-Umsatz-Verhältnis) sowie das KBV (Kurs-Buchwert-Verhältnis). KUV und KBV haben mich nie interessiert, aber das ist Ansichtssache.
Zum KGV gibt es viele kritische/warnende Töne. Häufig hört man, ein Vergleich von KGVs sei nur innerhalb einer Branche sinnvoll. Hin und wieder hört man auch, KGVs wären bei zyklischen Geschäften wenig aussagekräftig.
Man kann das aktuelle KGV eines Unternehmens mit einem KGV-Mittelwert der letzten x Jahre (desselben Unternehmens) vergleichen, doch auch hier gibt es Tücken.
Ich ziehe zur Bewertung eine weitere Kennzahl heran.
Im Nenner: Das künftige Gewinnwachstum
Die Höhe des künftigen Gewinnwachstums ist für Unternehmen und Aktionäre sehr wichtig. Einfach ausgedrückt: Je stärker die Gewinne langfristig steigen, desto kräftigen fallen auch Kurs- und Dividendenwachstum aus.
Ein Problem der KGVs ist: Sie sind bei Unternehmen mit starken Wachstum in der Regel recht hoch. Man kann nicht pauschal sagen, ein Unternehmen mit hohen KGV ist überbewertet und eines mit geringem KGV ist unterbewertet.
Dieses Problem könnte man angehen, indem man das KGV ins Verhältnis zum Wachstum setzt.
An der Börse wird nicht die Vergangenheit gehandelt, sondern die Erwartungen an die Zukunft. Vergangenes Wachstum in die Berechnung einfließen zu lassen, ist also nur dann sinnvoll, wenn man der Meinung ist, die Wachstumsraten bleiben konstant.
Gewöhnlich bleiben sie nicht konstant. Man ist also auf Schätzungen für das langfristige Wachstum angewiesen.
Einige Unternehmen geben diesen Wert selbst an. Dann kann man ihn auf den Investor Relations Webseiten finden oder in der Presse, z.B. nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen.
Ist das nicht der Fall, ist man auf Mittelwerte der Schätzungen von Analysten angewiesen und muss unter Umständen selbst noch ein wenig rechnen.
Schauen wir uns das Ganze für Fielmann an:
http://www.finanzen.net/schaetzungen/Fielmann
Das EBIT für 2015 lag bei 245,27 Mio. Euro. Der Mittelwert der Analystenschätzungen für 2018 liegt bei 310,90 Mio. Euro. Daraus ergibt sich ein Wachstum von 8,2% pro Jahr.
[Da es sich um 3 Jahre handelt, müsst ihr die 3. Wurzel ziehen aus 1 + (310,90-245,27)/245,27 und kommt so auf 1,082]
3 Jahre ist kein besonders langer Zeitraum und eine Gewinnschätzung ist mit hoher Unsicherheit verbunden.
Wer eine Aktie bewerten will, muss das akzeptieren.
Die Bewertungskennzahl
Ich teile nun das KGV durch das künftige Gewinnwachstum. Je kleiner der Wert, desto besser für den Anleger. Bei Fielmann komme ich auf ca. 3,7. Dieser Wert wird erst aussagekräftig, wenn man ihn mit anderen Unternehmen vergleicht.
Wie gesagt: Ich behaupte nicht, den Heiligen Gral der Unternehmensbewertung gefunden zu haben. Es ist eines von vielen, vielen Kriterien, die ich mir vor dem Kauf ansehe.
Kann man sich nach der Ermittlung aller übrigen (!) Kriterien einfach nicht zwischen 2 oder mehr Unternehmen entscheiden, so ist es eine Möglichkeit, die von mir vorgestellte Berechnung zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.
Eine kleine Anekdote dazu:
Bei meinem Skyworks-Einstieg vor 4,5 Wochen war der ermittelte Wert mit 0,8 erschreckend gering. Es war eines von vielen Argumenten, die für einen Kauf sprachen. In den 4,5 Wochen seit meinem Einstieg ist die Aktie um 20% gestiegen (in einer Zeit, in der es weder gute Nachrichten zum Unternehmen gab, noch eine starke Performance des Gesamtmarktes). Die Aktie war schlicht unterbewertet.
Sehr guter Beitrag, auf diesen werde ich verweisen, wenn ich das nächste Mal in einer E-Mail gefragt werde, wie man eine Aktie bewerten kann.
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Mittlerweile habe ich herausgefunden:
a) Im englischsprachigen Raum wird diese Kennzahl PEG oder PEG Ratio genannt (Price/Earnings/Growth).
b) Die Schätzung für das jährliche Wachstum über die kommenden 5 Jahre kann man auf Morningstar direkt ablesen (und sogar die PEG Ratio!). Ich denke, das wird aus Mittelwerten der Analystenschätzungen berechnet.
Hier als Beispiel für Apple: http://financials.morningstar.com/valuation/earnings-estimates.html?t=AAPL®ion=usa&culture=en-US
Falls ihr es auch für andere Unternehmen ansehen wollt: Es gibt 2 Suchfelder auf Morningstar. In einem steht „Quote“, im anderen „Search“. Quote ist richtig. Dann auf „Valuation“ und „Wall Street Estimates“.
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Herzlichen Dank für die Infos 🙂
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Hallo, da ich neu hier bin, direkt dir Frage: hast du eigentlich auch schon mal einen Beitrag verfasst, in dem du mal ein Unternehmen nach den von dir genannten Punkten (die am Anfang) analysierst (im besten Fall für alle Punkte) und erläuterst, warum du für die entsprechende Kennzahl wo die Grenze ziehst?
Grüße
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Hallo PowWow,
oben unter „Depot“ findest du Links zu Artikeln, die ich über meine Beteiligungen geschrieben habe. Ich schreibe aber nicht in jedem Artikel über jedes einzelne Kriterium. Gehen wir die Kriterien mal Punkt für Punkt durch.
Hauptsitz & geografische Umsatzverteilung:
Ich achte darauf, dass mein Portfolio so aufgestellt ist, dass die Umsätze nicht zu stark auf nur 1-2 Kontinente konzentriert sind und dass der Hauptsitz in einem Land mit hoher politischer Stabilität und unternehmensfreundlicher Politik ist. Auch die Höhe der Quellensteuer im Land ist ein Kriterium (aber kein Ausschlusskriterium).
Größe:
Wenn ich ein Unternehmen mit einer so geringen Marktkapitalisierung wie Cancom kaufe, dann muss alles andere bis aufs i-Tüpfelchen stimmen.
Geschäftsmodell / langfristige Aussichten für den Markt:
Bei einem Blick in mein Depot wirst du feststellen: Die Produkte und Dienstleistungen dieser Unternehmen werden sehr wahrscheinlich auch in 20 Jahren noch nachgefragt.
Von meiner Watchlist verabschiedet hat sich hier bspw. Mastercard, weil mir die Unsicherheit zu hoch ist, ob wir in einigen Jahren immer noch mit Plastikkarten bezahlen (oder vielleicht mit dem Smartphone).
Marktanteile:
Auch hier lohnt sich ein Blick in mein Depot. In vielen Bereichen sind meine Unternehmen Marktführer oder zumindest auf Platz 2 oder 3. Marktführerschaft ist natürlich eine feine Sache für ein Unternehmen.
Markteintrittsbarrieren:
Airbus!
Eigenkapitalquote:
Alles unter ca. 35-40% fliegt von meiner Watchlist. Warum? Es gibt zehntausende börsennotierte Unternehmen. Ich kann es mir leisten, wählerisch zu sein. Weshalb eine hohe Eigenkapitalquote gut ist, muss ich hier sicher nicht erläutern 😉 Airbus liegt deutlich darunter und auch Jungheinrich knapp darunter. Bei diesen Käufen im August gehörte die EK-Quote noch nicht zu meinen Ausschlusskriterien.
Umsatzrendite:
Je mehr Gewinn von 1 Euro Umsatz übrig bleiben, desto besser. Das sagt so einiges über das Unternehmen aus.
Free Cash Flow:
Kohle zum Investieren ist immer gut.
Kursentwicklung:
Ich schaue gern auf das jährliche geometrische Mittel von Ende 2007 (um die Entwicklung in der Finanzkrise mit zu betrachten) bis zum Ende des letzten Jahres. Underperformance gegenüber dem S&P 500 / Stoxx Europe 600 ist hier ein Ausschlusskriterium.
Maximaler Kursverlust:
Hier muss jeder für sich festlegen, wie stark das eigene Vermögen schwanken kann, damit man es gerade noch so erträgt, ohne panikartig zu verkaufen. Bei den meisten Anlegern kann eine ordentliche Beimischung von defensiven Werten, deren Kurs in Krisenzeiten nicht so stark nach unten geht, nicht schaden.
Unabhängigkeit von einzelnen Produkten, Kunden und Lieferanten:
Apple ist mir bspw. zu abhängig von den iPhone-Verkäufen. Ein gutes Gegenbeispiel ist Tyson Foods. Die beliefern McDonald’s, Burger King, Kentucky Fried Chicken, Taco Bell, Wendy’s, Wal-Mart, Kroger, Costco usw. und produzieren Hähnchen, Rind- und Schweinefleisch.
Kundenzufriedenheit:
An diesem Punkt ist vor einigen Monaten ein US-Mobilfunkriese aus meiner Watchlist geflogen, nachdem ich las, es wäre der Anbieter mit der geringsten Kundenzufriedenheit.
Familienbesitz / Anteile der Geschäftsführer:
Pluspunkt.
Attraktivität als Arbeitgeber:
Wenn ein Unternehmen Fachkräfte magisch anzieht, ist das natürlich ein Pluspunkt.
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