Wo ist der deutsche Sebastian Kurz? – Analyse des politischen Spektrums in Deutschland

Ich versuche mich heute mal an einer Analyse des politischen Spektrums in Deutschland.

1949 bis 1983

Bei der ersten zehn Bundestagswahlen der BRD war das Leben für die Wähler noch einfach. Es gab mit der CDU/CSU eine Mitte-Rechts-Fraktion, die SPD als Mitte-Links-Partei und dazwischen eine (einigermaßen) liberale FDP.

In den ersten 20 Jahren stellte die CDU/CSU den Kanzler, dann 13 Jahre lang die SPD und schließlich übernahm Helmut Kohl.

Die FDP blieb der Punktelieferant, der meist zur Mehrheit verhelfen musste und der Regierung ein paar liberale Tupfer verlieh.

Ein wenig frischer Wind kam in den Bundestag, als die Grünen 1987 und dann wieder ab 1994 ins hohe Haus gewählt wurden. Die Partei wurde als Alternative für jene gegründet, denen Umweltschutz und Nachhaltigkeit wichtiger waren als den etablierten Parteien. Wirtschaftspolitisch starteten die Grünen links von der SPD.

 

2005

Ich springe direkt ins Jahr 2005 – dem Ende von Gerhard Schröders Kanzlerschaft, gleichzeitig der Bundestagseinzug der PDS (ab 2007 bekannt als „Die Linke“).

Wenn ich an Gerhard Schröders Kanzlerschaft denke, dann erinnere ich mich an notwendige Hartz-Reformen, das Nein zum Irakkrieg, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Einführung der Riester-Rente sowie einen Vizekanzler und Außenminister, der früher Polizisten verprügelt hat.

Damals war ich kein Freund von Schröder, rechne ihm heute aber hoch an,

  • dass er ganz nach dem Motto „erst das Land, dann die Partei“ die hohe Arbeitslosigkeit durch kluge Reformen reduziert hat, auch wenn das Zehntausende auf die Straßen trieb und ihn 2005 die Wiederwahl kostete,
  • dass er die Eier hatte, 2005 die Vertrauensfrage zu stellen, die zu Neuwahlen führte,
  • dass er entgegen dem Druck der Verbündeten entschied, keine deutschen Soldaten in den Irak zu schicken.

Mit den Hartz-Reformen rückten die Sozialdemokraten etwas von links in die Mitte zu einer Politik der Vernunft. Das nutzte die linksradikale PDS/Linke, zog 2005 mit 8,7% in den Bundestag ein.

Die Grünen befanden sich etwa auf Höhe der SPD. Die Union aus CDU/CSU war noch eine klassische Mitte-Rechts-Partei.

Schaut euch mal auf YouTube an, wie Angela Merkel Anfang des Jahrtausends über Einwanderung sprach. Das war nur einen Hauch weniger drastisch, als man es heute von Jörg Meuthen kennt, einem der beiden Parteivorsitzenden der AfD.

 

2018

Erneut machen wir einen Sprung – dieses Mal in die heutige Zeit. Zunächst zeige ich euch die Verteilung der deutschen Wähler, wie ich sie sehe.

Meiner Meinung nach ist es eine Normalverteilung mit dem Höhepunkt bei der Position Mitte-Links.

 

Folgendes wird von der Mehrheit der Bevölkerung gut geheißen:

  • ein staatliches (d.h. sozialistisches) Rentensystem, Gesundheitswesen und Bildungswesen
  • staatliche und gewerkschaftlich gefesselte Arbeitsmärkte mit Mindestlöhnen, langen Kündigungsfristen und langen Ansprüchen auf Arbeitslosengeld
  • eine Steuer- und Abgabenbelastung von über 50% selbst unter Normalverdienern
  • ein erheblich regulierter Wohnungsmarkt
  • ein massiv subventionierter und regulierter Agrarsektor
  • eine im komplizierten Geflecht zwischen Markt und Staat eingebundene Energiewirtschaft
  • mindestens hunderttausend Betriebe in „kommunalem Eigentum“ (d.h. Staatseigentum)
  • ein staatliches Papiergeldmonopol
  • ein Staatsfernsehen samt Zwangsgebühren
  • ein rasanter Ausstieg aus Kernkraft und Kohle und damit die weltweit höchsten Strompreise und ein wachsendes Risiko von Blackouts
  • jährliche Staatsausgaben für „Arbeit und Soziales“ von einer Billion Euro; eine „Energiewende“ deren Kosten ein Bundesminister auf eine Billion Euro schätzt; Target2-Salden und Griechenland-„Rettung“ mit zusammen einer Billion Euro

Eintausend Milliarden hier, eintausend Milliarden dort. Egal. Hauptsache, man kann sich als Wähler alle 3 Jahre einen neuen Benz leisten und 2x im Jahr in die Südsee fliegen.

Für die meisten Politiker und Wähler geht es bei der Ökonomie nicht um das Setzen von Anreizen, sondern um Geldtöpfe und Nullsummenspiele.  Investment-Punk Gerald Hörhan hat völlig Recht, wenn er sagt, früher waren Menschen im Sklavendienst gefangen, dann im Frondienst und heute in mangelnder ökonomischer Bildung.

Wie sieht das politische Spektrum derzeit aus?

 

 

Die Linke ist weiterhin eine kommunistische Partei, die laut Parteiprogramm die Unternehmen folgender Branchen verstaatlichen und deren Eigentümer enteignen möchte:  Banken, Versicherungen, Energiekonzerne, Pharma- und medizinische Industrie, die Post, die Telekommunikationsinfrastruktur sowie „weitere Schlüsselindustrien“.

Der Wunsch nach Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 45% auf 75%, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Auflösung der NATO, die Abschaffung der Geheimdienste sowie eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1050 Euro finden sich ebenso bei den Linken wieder.

Die SPD reiht sich daneben ein. Die Grünen gleichen eher einer Sekte und stehen irgendwo dazwischen. Auch sie sind Freunde der Planwirtschaft und Gleichmacherei. Zudem lieben sie Verbote und Regulierungen.

Bryan Hayes hat Recht, wenn er über die Grünen schreibt: „Der harte Kern der Partei sind bis ins Mark erzreaktionäre Funktionärskader. Ziel ist der immer weitere Ausbau der Funktionärsherrschaft über die Bürger, die auf diese Weise immer mehr zu Untertanen werden sollen. Dieses Herrschaftsziel wird marketingtechnisch geschickt verschleiert, insbesondere werden Gefühlsorientierte / Romantische angesprochen sowie Personen, die sich mit öffentlichen Angelegenheiten wenig befasst haben, z.B. junge Menschen, die noch wenig Lebenserfahrung haben und noch nie netto-steuerzahlend gearbeitet haben. Die Grünen haben machtstrategisch clever über viele Jahre hinweg gezielt die Lehrpläne der Schulen und Unis in ihrem Sinne geändert, was sich jetzt für sie auszahlt“.

Die CDU steht unter Angela Merkel mittlerweile weiter links als die rot-grüne Koalition von Gerhard Schröder.

Die FDP hat im Wahlkampf 2017 versucht, sich auf Höhe der CSU zu positionieren. Sie wollte außerhalb Bayerns diejenigen erreichen, denen die CDU zu weit nach links gerückt war, denen die AfD aber zu radikal erschien.

Seit dem Ausstieg aus den Verhandlungen um eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen ist die FDP auf einer Irrfahrt. Man macht keine Oppositionspolitik gegen die Regierung, sondern ist Opposition gegen die Opposition (die AfD), anstatt Angela Merkel ihre Politik um die Ohren zu hauen.

Dort, wo die CDU vor Merkel stand, hat Bernd Lucke mittlerweile die Kleinpartei „Liberal-konservative Reformer“ (LKR) positioniert, die bei der Bundestagswahl 2017 noch nicht angetreten ist.

Die AfD, 2013 gegründet aus Frust über die Euro-Politik und anfangs bespickt mit Ökonomen wie Bernd Lucke, hat es in der Gründungszeit nicht geschafft, Leute wie Friedrich Merz, Wolfgang Bosbach, Frank Schäffler, Peter Gauweiler, Karl-Theodor zu Guttenberg oder Alexander Dobrindt für ihre Mitgliedschaft in einer neuen liberal-konservativen Partei zu begeistern.

Stattdessen radikalisierte die Partei sich von Jahr zu Jahr mehr.

Die Migrationspolitik von Angela Merkel brachte das Fass bei den Wählern zum Überlaufen. Die über die Jahre immer weiter nach links gerückten Parteien (allen voran CDU und Bundes-CSU) machten, wie Horst Seehofer sagte und wie meine Grafik gezeigt hat „die rechte Flanke frei“.

Rainer Zitelmann schrieb kurz nach der Bundestagswahl: „Protestparteien signalisieren, dass etwas nicht in Ordnung ist. Werden die Signale gehört und wird die Politik korrigiert, dann haben diese Parteien eine sinnvolle Funktion. Werden sie überhört, dann werden sie weiter an Zustimmung gewinnen.“

Wie Recht er damit hatte, zeigen jüngste Umfragen:

Meine Wunsch-Konstellation

  • Angela Merkel geht in Rente, nimmt ihre größten Erfüllungsgehilfen gleich mit (Altmaier, Kauder, von der Leyen). Die CDU/CSU wird wieder eine echte bürgerliche Mitte-Rechts-Union mit Spahn, Dobrindt, Seehofer und Söder in vorderster Reihe und den Rückkehrern Merz, Bosbach und Guttenberg. Dazu junge Leute wie Felix Leidecker und Thorben Meier. Auch andere Gesichter würde ich gern in einer solchen Partei sehen: Ramin Peymani, Roger Letsch, Markus Hibbeler, Marisa Kurz, Rainer Wendt, Birgit Kelle, Hamed Abdel-Samad, Claus Strunz, Robin Alexander, Boris Palmer. Man wäre dann wieder näher am Bürger, näher an der Realität. Nachdem Sebastian Kurz Österreich umgekrempelt hat, wechselt er nach Deutschland und wird Bundeskanzler (hierfür müsste er Deutscher werden oder das Grundgesetz geändert werden) oder zumindest Bundesminister. Kurz ist einer, der den Wählerwillen konsequent umsetzt und dabei stets höflich und eloquent bleibt.
  • LKR, PDV und der liberale FDP-Flügel um Frank Schäffler schließen sich zu einer echten liberalen Partei zusammen. Titus Gebel, Carlos Gebauer und Rainer Zitelmann könnten dazustoßen und den Wählern (auch Nicht-Akademikern) die Vorzüge echter liberaler Politik nahe bringen, die zur Stammwählerschaft (Unternehmer, Selbstständige, Freiberufler, Wirtschaftswissenschaftler) hinzukommen. Die Partei muss weniger Debattierclub sein (wie aktuell PDV, LKR und Schäffler), sondern offensiver und lauter.
  • Die Rest-FDP ist dann ebenso überflüssig wie die Grünen (deren Ökopopulismus von der SPD mit übernommen werden kann) und die AfD.
  • Die SPD findet zurück zu einer Partei der Arbeiter und „kleinen Leute“, bekommt außerdem Zulauf aus dem linken CDU-Flügel. Wenn dann noch die Ex-SED/Stasi-Altkader aussterben, wird auch die Linke überflüssig.

Damit wären wir wieder bei der Konstellation, die von 1949 bis 1983 prima funktioniert hat.

Das Wählerpotential von CDU/CSU und SPD würde ich dann bei jeweils 40-44% sehen, das der Liberalen bei 7-14% und das der übrigen Kleinparteien bei 5-7%. Das würde stark darauf ankommen, wie die Leitmedien auf die neue Lage reagieren würden.

Sollte sich die CDU auch nach Merkels Rückzug nicht in Richtung der Positionen bewegen, für die sie zwischen 1949 und 2005 stand, dann wird die CSU ernsthaft in Erwägung ziehen, nicht nur in Bayern anzutreten, sondern in weiteren Bundesländern. Damit einhergehen würden zahlreiche „Überläufe“.

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8 Gedanken zu „Wo ist der deutsche Sebastian Kurz? – Analyse des politischen Spektrums in Deutschland

  1. Hallo Stefan;
    tja wünschen darf man sich alles Mögliche, nur wird das nie so eintreffen 😉
    Das Thema Seehofer wird sich in drei Wochen nach der Bayern-wahl erledigt haben, dann hat das als Politik getarnte Affentheater eine vorläufige Pause.
    Der Einheitsbrei der linken Parteien aus SPD/Linke/Grüne/ Merkel-CDU und (mit Abstrichen) FDP hat auf der rechten Seite ein Vakuum entstehen lassen, woraus sich eine dauerhafte AFD entwickelt hat.
    Das ist das Vermächtnis von Angela Merkel, die leider wohl auch nie dafür zur Verantwortung gezogen werden wird, dass sie das Land 2015 im Alleingang a) gesellschaftlich gespalten hat, b) die innere Sicherheit verloren gegeben hat und c) dem Steuerzahler die Haftungsrisiken der EU-Verschuldungsländer aufgedrückt hat.
    Das Pendel wird nach rechts zurückschlagen und die AFD Regierungspartei werden, und das wäre – nach meiner Wunschkonstellation – mit Merz, Lucke, Schäffler und anderen Wirtschaftsliberal-Konservativen wesentlich besser als mit rechtsextremen Spinnern á la Hocke.
    (keine Analyse, nur meine Meinung 😉

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  2. Guter Beitrag von dir. Ich sehe vieles ähnlich.
    Mir missfällt die Linkslastigkeit der Politik und die Definition der „sozialen Gerechtigkeit“.
    Zur Zeit scheint es so zu sein, dass die Menschen immer mehr aus der Selbstvorsorge und Eigenverantwortlichkeit herausgedrängt werden (Niedrigzinsen mit Realverlusten für Vermögen, hohe Haftung für die Rettung maroder Eurostaaten, hohe Verschuldung, hohe Steuerbelastung, hohe Sozialabgaben auch im Niedriglohnbereich, hohe Ertragssteuern auch für kleine Vermögen, Mietpreisbremsen und hohe Auflagen für Vermieter).

    Dies sorgt dafür, dass für die breite Masse und für Geringverdiener der Vermögensaufbau unattraktiv wird, dass zu wenig neue Wohnungen gebaut werden mit künftig noch höheren Mieten. Damit sorgen die Linksparteien dafür, dass die eigenen Wähler mehr werden, was vielleicht sogar in deren Interesse ist.

    Optimal würde ich es finden, wenn z.B. der Erwerb von Wohneigentum und Sachwerten für Geringverdiener und Mittelschicht mehr gefördert werden würde. Allerdings würden diese Leute dann weniger die Linksparteien wählen, da die Linksparteien grundsätzlich Vermögen als etwas negatives und ungerechtes ansehen.

    Was zur Zeit fehlt, ist wirklich etwas rechts der Mitte. Ich mag die AFD überhaupt nicht, da mir diese zu menschenverachtend bzw. rassistisch erscheint – nicht vom Parteiprogramm, aber von den Äußerungen a la Hocke und den Aufmärschen mit Neonazis.

    Bis auf CSU/ FDP gibt es kein Gegengewicht zu den offenen Grenzen, wobei beide Parteien viel Vertrauen verloren haben. Die FDP als Umkipppartei in der vorletzten Regierung und die CSU als Umkipppartei in der aktuellen Regierung.

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  3. Hallo Stefan, da hast du das politische System treffend beschrieben. Die Kernproblematik liegt meiner Meinung nach darin, dass sich die regierenden Parteien nicht mehr um die wirklich großen, wichtigen Themen kümmern.

    Themen wie z.B. Datenschutzgrundverordnung, Homoehe, Drittes Geschlecht, Fahrverbote oder unglückliche Aussagen eines Behördenleiters nehmen breiten Raum ein, während die Politik nicht mal mehr in der Lage ist, unsere Infrastruktur zügig weiterzuentwickeln. Beispielhaft seien da der Berliner Flughafen, der Stuttgarter Hauptbahnhof oder marode Brücken genannt.

    Noch viel schlimmer ist, dass die wirklich wichtigen Herausforderungen der Zukunft hinsichtlich Demografie und Rente völlig ignoriert und nicht angegangen werden. Hierzu empfehle ich mal diesen Artikel bis zum Ende durchzulesen:

    https://www.welt.de/wirtschaft/article182331638/Gesetzliche-Vorsorge-So-trickst-Scholz-bei-seiner-Rentenrechnung.html

    Ein weiteres Beispiel ist das Flüchtlingsproblem. Hier ignoriert der Staat das Recht, wenn abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben werden, bzw. nicht abgeschoben werden können, weil sie den Paß angeblich „verloren“ haben. Smartphones werden komischer Weise nicht verloren. Ohne Paß würde ich ein Asylverfahren gar nicht erst eröffnen. Hier muss das Recht geändert werden.

    Wenn man sich zudem nicht auf ein gemeinsames EU-Asylrecht verständigen kann, muss man eben das Dublin-Abkommen konsequent anwenden und die Asylbewerber in die Länder zurückführen, in denen sie erstmals die EU betreten haben. Der jüngste Attentäter von Köln hätte übrigens innerhalb von 3 Monaten seit seiner Ankunft nach Tschechien abgeschoben werden können.

    Kurzum: Die regierenden Parteien kümmern sich um untergeordnete Themen, während sie die großen Themen nicht angehen. Über die jüngsten Wahlergebnisse und Umfragen sollten sie sich dann nicht wundern.fr

    Als liberal-konservativer Geist hätte ich es mir nicht träumen lassen, dass ich mal mit gewisser Wehmut an Gerhard Schröder denke. Der war ein Mann des Wortes UND der Tat.

    Im Artikel wurde ja Friedrich Merz erwähnt. Ich wünsche mir immer wieder, dass er seine Rückkehr still und leise für die Zeit vorbereitet hat, wenn Merkel von Bord geht. Dem würde ich zutrauen, das taumelnde Schiff wieder auf Kurs zu bringen.

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