Wie langweilig!

In den letzten Wochen habe ich speziell nach „langweiligen“ Unternehmen Ausschau gehalten, an denen ich mich beteiligen könnte. Doch warum? Lasst mich dazu etwas weiter ausholen.

Viele Kleinanleger meinen, sie sind dazu in der Lage, diejenigen Small Caps herauszupicken, die in Zukunft unsere Welt verändern werden. Sie kaufen Pennystocks. Geheimtipps, die ihnen jemand zugeflüstert hat. Sie versuchen, den technologischen Wandel vorherzusagen. Sie fragen sich: Welches Unternehmen wird beim Mobile Payment die Nase vorn haben? Wer wird uns in 20 Jahren mit Energie versorgen? Wer wird die Drohnen produzieren, die die Postboten ersetzen werden und die Roboter, die uns im Haushalt unterstützen sollen? Welcher Autobauer wird die höchsten Marktanteile bei Elektrofahrzeugen und selbstfahrenden Autos haben?

Sie stellen die falschen Fragen. Sie halten die Börse für ein Casino und fallen böse auf die Nase.

Warren Buffett, der mit Aktien zum reichsten Menschen der Welt wurde, hat sich schon immer von Technologiewerten fern gehalten. So werde ich es weitestgehend auch machen. Ich weiß nicht, welche Firma in 5 Jahren die meisten Smartphones verkaufen wird. Ich habe auf die oben gestellten Fragen keine Antworten.

Meiner Meinung nach ist der Hauptgrund für die geringe Aktienquote in Deutschland die hohe Volatilität dieser Anlageform. Je zyklischer eine Branche ist, desto höher die Volatilität. Trotzdem lieben die meisten Anleger die Aktien aus den Bereichen Technologie, Automobil, Chemie, Maschinenbau und Öl. Ich habe auch das Gefühl, dass über diese Aktien/Branchen am meisten berichtet wird.

Wenn die Aktienmärkte einbrechen, dann verlieren diese Branchen überdurchschnittlich stark. Wenn ich mir mein Depot anschaue: Die Continental-Aktie verlor während der letzten Finanzkrise 91% an Wert, Jungheinrich 82%, Patrizia Immobilien 96%, Cancom 73%. Bei diesen Zahlen, die ich erst nach den Käufen in Erfahrung brachte, wird mir angst und bange.
Zudem kürzen oder streichen zyklische Firmen in Krisen häufig die Dividenden.

Es wird immer wieder Einbrüche an den Märkten geben. Alle paar Jahre. Die Gründe können vielfältig sein. Jeden Monat meldet sich ein anderer Crash-Prophet zu Wort und verkündet einen Einbruch von 50, 60, 70 Prozent. Zuletzt wurde gar ein Einbruch des US-Aktienmarktes von 75% „vorhergesagt“. WENN es zum Einbruch kommt, dann werden zyklische Branchen am stärksten darunter leiden.

Es wird auch immer wieder Zeiten hoher Arbeitslosigkeit geben.

Was tut ihr, wenn ihr arbeitslos werdet oder euer Partner? Kauft ihr euch ein neues Auto? Wohl eher nicht. Dementsprechend werden die Aktien der Automobilbauer in Wirtschaftskrisen stark an Wert verlieren – vielleicht stärker, als ihr es ertragen könnt. Ihr verkauft und realisiert hohe Verluste. Womöglich kehrt ihr dem Aktienmarkt für immer den Rücken und freut euch über die sicheren 0.8% Zinsen auf dem Tagesgeldkonto.

Putzt ihr euch in Wirtschaftskrisen weiterhin die Zähne? Wascht ihr weiter eure Wäsche? Putzt ihr eure Wohnung? Nehmt ihr Medikamente ein? Esst ihr morgens Müsli oder Cornflakes? Kauft ihr Milchprodukte, Süßwaren, Fleisch? Futter für eure Haustiere? Windeln für eure Kinder? Benötigt ihr weiterhin Brillen/Kontaktlinsen?

Natürlich tut ihr das. Und ich verdiene daran, denn ich beteilige mich an den Unternehmen, die diese Produkte herstellen. Mit einem schwankungsarmen Depot voller Langweiler kann man ruhig schlafen. Überlasst die Aktien von Tesla, Netflix und Facebook den anderen Anlegern!

Je größer und älter das langweilige Unternehmen ist, desto besser (der Status eines Dividendenaristokraten oder eines Familienunternehmens ist dabei das i-Tüpfelchen). Eine Firma, die vor 60 Jahren schon Nahrungsmittel, Zahnpasta, Waschmittel oder Medikamente verkauft hat, wird das wahrscheinlich auch in 20 Jahren noch tun. Gegen mögliche Ausfälle durch Unternehmenspleiten kann man sich mit einer breiten Streuung wappnen.

Die meisten dieser Firmen müssen auch keine Unsummen in Forschung und Entwicklung investieren. Sie tun einfach das, was sie seit Jahrzehnten tun und schütten den Großteil ihrer Gewinne an Aktionäre wie mich aus.

Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Continental-, Jungheinrich-, Airbus- und Cancom-Aktien. Nur man sollte es nicht übertreiben mit zyklischen Branchen oder mit Small Caps. Das habe ich erst in den letzten Wochen begriffen.

Mal sehen, wann der erste ETF namens „MSCI World Boring 100“ der 100 langweiligsten Large Caps auf den Markt kommt 🙂

Übrigens: Die Schwankungsintensität einer Aktie kann gemessen werden („Beta-Faktor“) und ihr könnt sie für jede Aktie leicht abfragen. Zum Beispiel könnt ihr auf finanzen.net nach einem Unternehmen suchen und dann über „Fundamentalanalyse“ die Risikoanalyse aufrufen. Dort findet ihr den Beta-Faktor der letzten 12 Monate. Je kleiner, desto schwankungsärmer. Ein Faktor von 1 bedeutet, die Aktie schwankt genauso stark wie der Index, in dem sie gelistet ist.

Meine vergleichende Analyse von Haushaltswaren-Herstellern findet ihr hier:

Church & Dwight – Mein Defensiv-Champion auf dem Prüfstand

 

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3 Gedanken zu „Wie langweilig!

  1. Sehe ich auch so, lieber ne langweilige Aktie,denke Europa hat da auch einiges zu bieten. Werde mich aber auch mal in Kanada umsehen.
    Was hast Du den so auf Deinem Radar?

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  2. Sehr guter Beitrag, und genau meine Meinung. Gegessen, Getrunken, Krank wird man immer 😉
    An diesen Aktien verdienen wir unser Geld. Schade nur, dass ich jetzt in der dieser Börsenphase nicht mehr Cash zur Verfügung habe, um mehr von diesen Unternehmen zu kaufen 🙂

    mfG Christopher

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