Warum ich nicht in Schwellenländer investiere

Mein Kumpel fragte mich heute bei Whatsapp, weshalb ich nicht in Schwellenländer investiere.

Schauen wir auf die aktuelle Zusammensetzung von Emerging Markets Aktienindizes:
29 % China
16 % Taiwan
14 % Indien
12% Korea
4 % Brasilien
usw.

Meine Weigerung, in Schwellenländer zu investieren, lässt sich in 4 Kategorien einteilen.

(1) Fachkräfte-Abwanderung und demografischer Wandel

Indiens beste IT-Experten gehen in den Westen. Ich bin Softwareentwickler in Berlin und arbeite hier mit mehr Indern als Deutschen zusammen. Bei meinem Besuch im Silicon Valley sah es dort genauso aus.

Der Lebensstandard in Indien wird während meines Investment-Horizonts sicher stärker steigen als in den USA, aber während dieser Zeit werden mehr MINT-Leute aus Schwellenländern in die USA auswandern als umgekehrt.

Hinzu kommt, dass die arbeitende Bevölkerung in den USA in den kommenden 30 Jahren steigen wird, während sie in den anderen hier aufgeführten Ländern (China, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Russland, Südkorea) schrumpft:

(2) Währungsrisiko

Die Indische Rupie hat 80% an Wert gegenüber dem Euro verloren seit 2000. Eine indische Aktie, die 80% gestiegen ist seit 2000 (in INR) hätte euch 0% Rendite beschert. Dasselbe gilt für den Brasilianischen Real etc.

(3) Marken

Dass „Schwellenländer stärker wachsen werden als der Westen“ (so mein Kumpel) ist nicht gleichbedeutend damit, dass Schwellenländer-Unternehmen stärker wachsen als US-Unternehmen.

Vom Schwellenländer-Wachstum profitiere ich auch mit meinem S&P500-ETF über Tesla, Starbucks, Nike, Disney, Apple, McDonald’s etc.

Ein kleines Café in Shanghai kann den besten Kaffee der Welt kochen. Bei Starbucks zu sitzen ist aber Statussymbol.

Ein koreanischer Schuhhersteller kann die bequemsten und schönsten Sneakers produzieren. Nike ist aber Statussymbol.

Wer will Disney Konkurrenz machen in China?

Auch nützt der Schwellenländer-ETF wenig, wenn das innovative südafrikanische Startup von Microsoft aufgekauft wird.

Zudem ist der Dollar-Währungsraum sehr groß und zugleich Weltreservewährung. Wenn die USA 1% neues Geld drucken um damit Unternehmen zu versorgen, dies ein weitaus größerer Betrag ist, als wenn Taiwan 1% neues Geld druckt.

(4) Politische Risiken

Zahlreiche Schwellenländer sind totalitär geführt; sind anti-kapitalistisch; werden militärisch bedroht; schotten ihre Wirtschaft ab; betreiben mehr Verstaatlichung. Hinzu kommt eine höhere Wahrscheinlichkeit aktionärsfreundlicher Politik in den USA, denn die USA haben weitaus mehr Aktionäre in Prozent der Gesamtbevölkerung als China, Taiwan, Indien, Korea, Brasilien. Die gesamte Altersvorsorge in den USA ist voll auf Aktien ausgerichtet.

Des Weiteren habe ich keinerlei Planungssicherheit, welche Länder in 5 Jahren am Aktienmarkt überhaupt als Schwellenländer gelten. Im dunklen Hinterzimmer wird entschieden, wann chinesische Unternehmen aus Emerging Markets Indizes entfernt und in Industrieländer-Indizes geschoben werden. Zu diesem Zeitpunkt möchte ich aber vielleicht nicht unbedingt verkaufen.

6 Gedanken zu „Warum ich nicht in Schwellenländer investiere

  1. Hallo Stefan,

    interessantes Thema und schön es auch hier mal zu lesen. Mich würden noch mehr Argumente zu bzw. gegen das Investieren in China bzw. China in den EM allgemein interessieren. Du schreibst hier mehr von Indien. Siehst Du das in China ähnlich? Also mit der Fachkräfteabwanderung oder den Marken in China. Mit Alibibab hatte China ja schon quasi einen Konkurrenten zu Amazon. Mit Alipay einen Mix aus Visa, Paypal etc.

    Viele die investiert sind oder investieren wollen, sagen ja immer „wegen der Diversifikation“ und dass vor allem China in den nächsten Jahren deutlicher wachsen werden und so weiter (was Du ja auch schon geschrieben hattest). Ich war auch investiert, habe aber mittlerweile meinen EM mit Gewinn verkauft und werde wohl auch nicht mehr investieren. Zu schlecht performen die EM im Gegensatz zu den Industriestaaten.

    Ähnliches würde mich zu den Small Caps interessieren. Da wird ja auch seit ein paar Jahren die Sau durch das Dorf getrieben und behauptet, man müsse diese haben. Der Diversifikation wegen und die Small Caps haben die Large Caps ja auch outperformt. In der letzten Dekade sieht man auch hier wenig von. Maximal ebenbürtig und dafür ist das Risiko wieder zu hoch wie ich finde. Vielleicht schreibst Du darüber ja auch noch mal einen Artikel 🙂

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  2. Bei Punkt 2 solltest du nochmal den Verlauf von 2000 bis 2023 INR EUR nachschauen und auch mal nachrechnen was ein ca. 50% Verlust bedeutet. Spoiler: Nein es hätte nicht gereicht das die Aktie 50% steigt um auf 0% zu kommen.
    Ansonsten Zustimmung in allen deinen Punkten. Vor allem Punkt 3 und 4 haben mich die EMs immer meiden lassen.

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