Nigel Farage hielt diese Woche seine letzte Rede im Europäischen Parlament, dem er die letzten 20 Jahre angehörte. Bei der Europawahl 2019 im Vereinigten Königreich siegte seine Partei mit überwältigender Mehrheit, holte 55% mehr Stimmen als die zweitplatzierte Partei. Er kämpfte die letzten 27 Jahre für den gestern vollzogenen Brexit.
Seine 4-minütige Rede enthielt interessante Punkte, über die man geteilter Meinung sein kann. Diese möchte ich zitieren und mit erklärenden Stichpunkten ergänzen, bevor ich auf die erschreckende Reaktion der deutschen Medien zu sprechen komme.
„Dieses Projekt ist nicht nur undemokratisch, es ist anti-demokratisch. Es gibt Personen Macht, die nicht wieder abgewählt werden können. Das ist eine inakzeptable Struktur.“
• Das britische System zwingt die Abgeordneten, sich mit den Problemen der Bürger in ihren Wahlkreisen zu beschäftigen. Wer den Wahlkreis nicht gewinnt, zieht in der nächsten Legislaturperiode nicht ins Parlament ein. Bei Europawahlen gilt hingegen: Selbst wenn jemand überhaupt keine Stimmen im eigenen Wahlkreis erhält, zieht er ins Parlament ein, wenn die Parteifunktionäre ihn weit genug oben auf ihre Liste gesetzt haben.
[◦ Ein anti-demokratisches System in Deutschland führte dazu, dass Merkel über die Jahre alle parteiinternen und bei den Bürgern beliebten Kritiker losgeworden ist oder mundtot gemacht hat oder ihren Aufstieg blockiert hat: Friedrich Merz, Roland Koch, Christian Wulff, Wolfgang Bosbach, Wolfgang Schäuble, Hans-Georg Maaßen, Horst Seehofer, Rainer Wendt usw.]
• Malta hat im Europäischen Parlament einen Abgeordneten pro 66.667 Einwohner. Deutschland hat dort nur einen Abgeordneten pro 854.167 Einwohner.
• 27 der bisherigen 73 britischen Sitze im Europäischen Parlament werden sofort auf andere Länder umverteilt (der Rest wird für künftige EU-Erweiterungen reserviert). Von diesen 27 Sitzen erhält Deutschland: keine.
• Ursula von der Leyen bekleidet seit der letzten Europawahl das höchste Amt der Europäischen Union, obwohl sie bei der Wahl auf keinem Wahlzettel zu finden war, und obwohl sie zuvor die unfähigste und unbeliebteste Ministerin in Merkels Kabinett war. Eine Verhöhnung der Wähler, nachdem die Wahl von den EU-Funktionären als „wichtigste Wahl aller Zeiten“ angekündigt wurde.
• In den britischen Parlamentsdebatten und -abstimmungen der letzten Monate konnte man schön beobachten, was passiert, wenn Abgeordnete ihrem Gewissen unterworfen sind (ungewisser Ausgang) und nicht, wie in Deutschland, vorherigen Beschlüssen kleiner Gruppen von Parteibonzen hinter verschlossenen Türen. Wie oft Fraktionen hierzulande geschlossen abstimmen, ist erschütternd.
• Weitere wichtige Organe wie EU-Kommission, EU-Ministerrat, Europäische Zentralbank und Europäischer Gerichtshof sind überhaupt nicht demokratisch legitimiert. Ebenso wenig die zig Milliarden Euro für die Bankenrettung in Griechenland und anderen Ländern. Oder die Migrationspolitik.
• Selbst Martin Schulz, ehem. Präsident des Europäischen Parlaments, sagte: „Wenn die EU ein Staat wäre, und wenn dieser Staat die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste er zurückgewiesen werden – wegen mangelnder demokratischer Legitimation.“
Farage weiter: „Mein Vater und meine Mutter erteilten einem gemeinsamen Markt ihre Zustimmung, nicht einer politischen Union mit Flaggen, Hymnen, Präsidenten, und jetzt wollen Sie sogar ihre eigene Armee haben […] Was erwarten wir von Europa? Wenn wir Handel, Freundschaft, Zusammenarbeit und Gegenseitigkeit wollen, dann brauchen wir keine Europäische Kommission, keinen Europäischen Gerichtshof, keine dieser Institutionen und all ihre Macht.“
Und schließlich: „2005 verfolgte ich, wie die EU-Verfassung von den Menschen in Frankreich und den Niederlanden in Referenden abgelehnt wurde, und wie ihr hier in diesen Institutionen die französischen und niederländischen Wähler ignoriert habt und die Verfassung durch die Hintertür in Lissabon eingeführt habt. Auch die Iren hatten ein Referendum, sagten Nein und wurden gezwungen erneut abzustimmen. Ihr seid sehr gut darin, Wähler nochmal abstimmen zu lassen, doch was wir bewiesen haben ist: Die Briten sind zu groß um sich schikanieren zu lassen.“
Das lasse ich so stehen. Die Frage, wie gut oder schlecht der Brexit für die britischen Bürger ist, soll hier nicht diskutiert werden. Das wurde es die letzten 4 Jahre hindurch.
Fakt ist: Die Reaktion der deutschen Medien auf Farages Rede machte mich fassungslos.
Vorgeschlagen wurde mir die 4-minütige Rede von YouTube basierend auf meinem Interesse. Der Telegraph hatte sie hochgeladen.
Nach den 4 Minuten wollte ich interessehalber herausfinden, wie die deutschen Medien die Rede aufgenommen haben. Und meine schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen.
Mehrere große Medien veröffentlichten ganze Artikel nur zu dieser Rede, darunter WELT, Focus, Stern, Tagesspiegel.
KEINER davon enthielt auch nur einen der hier von mir zitierten, zentralen Sätze. Dabei war es eine mit 4 Minuten sehr kurze Rede.
Schlimmer noch: Es wurden jeweils Videoausschnitte der Rede gezeigt – und dabei wurden ALLE von mir zitierten Sätze rausgeschnitten. Neben mir stand ein Mülleimer und ich hätte fast reingekotzt.
Stattdessen die übliche Belehrung der Leser: Farage ist Rechtspopulist; er schwenkte eine britische Fahne woraufhin ihm der Ton abgestellt wurde; skurriler Auftritt; er wird jetzt eine großzügige Rente kassieren.
Verschwiegen wurde dagegen alles, was beim deutschen Wähler Zweifel an der totalitären, zentralistischen, anti-demokratischen, den Wähler verhöhnenden EU aufkommen lassen könnte, die erneut versucht, woran Hitler, Stalin, Napoleon und Karl der Große gescheitert sind: Einen europäischen Superstaat zu errichten – nach dem Vorbild Asiens, wo in den Riesenreichen Persien, China und Russland die politischen Führer eine ungeheure Macht auf sich konzentrieren konnten und die Freiheit der Menschen auf der Strecke blieb.
Wer daran zweifelt, wird als Europa-Skeptiker beschimpft. Mario Draghi bekam dagegen gestern das Bundesverdienstkreuz dafür, die Zinsen auf 0,0% gesenkt zu haben – verliehen von Frank-Walter Steinmeier, der dem iranischen Mullah-Regime kürzlich zum Nationalfeiertag gratulierte („im Namen meiner Landsleute“). An diesem Tag wird die Machtergreifung derer gefeiert, die (laut Amnesty International) Homosexuelle an Baukränen aufhängen, Ehebrecherinnen steinigen, Dieben die Hand abhacken und Frauen, die ihr Kopftuch ablegten, jahrelang ins Gefängnis schicken.
Jean-Claude Juncker, bis vor kurzem mächtigster Mann in Brüssel, sagte: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ (2011 in Brüssel auf einer Abendveranstaltung zur Euro-Krise)
Außerdem: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ (27.12.1999 im Gespräch mit dem Spiegel für den Artikel „Die Brüsseler Republik“)
Unter dem Schlagwort „Friedensprojekt“ sollen die EU-Bürger alle Kröten einer „ever closer union“ schlucken. Dabei lässt sich weder theoretisch noch historisch belegen, dass Großstaaten friedlicher sind als Kleinstaaten. Großstaaten können sich Aggressivität und Kolonialisierung viel eher erlauben. Der Frieden in Europa basiert vielmehr auf Nato-Versprechen und atomarer Abschreckung. Kleinstaaten wie Liechtenstein könnten sich selbst mit der größten Armee der Welt keinen Krieg leisten, denn je kleiner, desto stärker ist man auf Handel mit anderen Staaten angewiesen. Wie viele Kriege wurden von den Nicht-EU-Mitgliedern Norwegen, Schweiz und Island angezettelt?
Die Entfernung zum Bürger hat Auswirkungen auf Verschwendung, Korruption und Bürokratie: „Wenn auf Gemeindeebene ein Bürgermeister Geld bei einem Projekt verschwendet, fällt das ins Auge. Die Bürger können den Bürgermeister zur Rede stellen. Auf EU-Ebene sieht das anders aus. Die meisten Bürger wissen gar nicht, was vor sich geht. Also werden sie sich auch nicht in den Zug setzen, um nach Brüssel zu fahren und einen der 751 Abgeordneten zur Rede zu stellen. In der bürokratischen Masse geht die Verantwortung unter. Niemand ist es gewesen. Ähnliches gilt für die gefräßige Bürokratie. Nur auf lokaler und regionaler Ebene können die Bürger sie kontrollieren. Fordert das örtliche Tourismusbüro eine Budgetverdopplung, können die Bürger noch einigermaßen überprüfen, ob das gerechtfertigt ist. Aber wie sollen sie beurteilen, ob der gesellschaftliche Nutzen einer Budgetverdopplung für das European Institute for Gender Equality die Kosten übersteigt? Die meisten EU-Bürger werden das European Institute for Gender Equality noch nicht einmal kennen. Dadurch steigt der Spielraum derartiger Institutionen, immer weiter und weiter zu wachsen.“ (Philipp Bagus, Professor an einer Universität in Madrid)
Die EU-Funktionäre betonen gern gegenüber den Briten, dass ein (Frei-)Handelsabkommen nur möglich ist in Kombination mit Personenfreizügigkeit und mit der Übernahme von Umweltstandards etc. Das ist natürlich Unfug, wie die EU-Handelsabkommen mit China, USA, Japan oder Kanada zeigen. Kein Nicht-EU-Land lässt sich von der EU die Ausgestaltung seiner Einwanderungsgesetze vorschreiben.
Die Briten wären liebend gern in einer reformierten Union geblieben. Die EU-Funktionäre waren jedoch nicht bereit, auch nur einen Millimeter von ihrer Vision einer „ever closer union“ abzurücken.
Viel besorgniserregender finde ich jedoch, dass Stimmen wie die von Nigel Farage in den großen deutschen Medien verschwiegen werden und dass man Menschen wie ihn in die Schmuddelecke rückt, anstatt die Entwicklung eigener Einschätzungen bei Zuhörern und Lesern zuzulassen.
In den letzten 3 Jahren schaute ich 5 Reden und las 3 weitere Reden von Donald Trump jeweils in voller Länge. 8 Mal dasselbe Bild in Deutschland: Die interessantesten Punkte, die die Leute das was in Deutschland passiert infrage stellen lassen würden, werden weggelassen.
Das typische, widerliche Verhalten vom eigentlich zur Objektivität verpflichteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland wurde zuletzt perfekt dokumentiert: hier das 6-minütige Gespräch zwischen Sebastian Kurz und Claus Kleber am Wahlabend in Österreich.
Der aktivistische ÖRR-Journalistendarsteller Kleber wird hier wie ein Schuljunge vom wie immer höflichen, klaren und argumentativ wie rhetorisch brillanten Sebastian Kurz vorgeführt.
Ein ebenso abstoßendes Beispiel war das Gespräch von Christian Lindner mit Marietta Slomka (hier).
In die 4 (oder 5?) politischen Talkshows des ÖRR werden diejenigen, die ihre vom Mainstream abweichenden Meinungen brillant auf den Punkt bringen können, überhaupt nicht eingeladen. Ich denke da an Henryk M. Broder, Dushan Wegner, Roland Tichy, Ramin Peymani, Roger Letsch, Rainer Wendt, Birgit Kelle, Hamed Abdel-Samad, Claus Strunz, Boris Palmer, Titus Gebel, Carlos A. Gebauer, Rainer Zitelmann, Manfred Haferburg, Thilo Sarrazin, Thilo Schneider, Alexander Wendt, Felix Maximilian Leidecker, Thorben Meier, Anabel Schunke.
Der Rundfunkstaatsvertrag, der die Grundlage der Zwangsgebühren bildet, wird in keinster Weise erfüllt. Dort heißt es: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“
Zum Glück gibt es YouTube, Facebook, die Neue Zürcher Zeitung, die Achse des Guten, Tichys Einblick und andere Medien, wo Stimmen ein Gehör finden, die auf ARD, ZDF, Spiegel & Co. unterdrückt werden.
NZZ steigert Anzahl deutscher Abonnenten um 50 Prozent:
https://meedia.de/2020/03/20/geschaeftsjahr-2019-nzz-steigert-anzahl-deutscher-abonnenten-um-50-prozent/
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https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/die-schalltote-kammer/
„So, wie Paul Collier 2015 in der Migrationsdebatte ein Phantom blieb, ein Wissenschaftler, der keiner Antwort gewürdigt wurde, bleibt der amerikanische Epidemologe John Ioannidis mit seinen Fragen nach Nutzen und Kosten der Corona-Maßnahmen ohne Echo. Er lässt sich schlecht als Leugner, Faschist, Regierungsgegner oder Aluhut brandmarken. Aber so zu tun, als gäbe es ihn und seine Fragen gar nicht (und als würden sich die Abwägungsfragen nicht auch ohne ihn stellen), dieses Mittel funktioniert immer, und die meinungsprägende Elite wendet es mittlerweile mit großer Routine an.
[…]
So, wie es hieß: Bist du für die Energiewende oder ein Klimaleugner?, bist du für grenzenlose Menschlichkeit oder ein Rassist?, bist du für die Corona-Maßnahmen der Regierung oder ein Aluhut?, so wird es sehr bald auch bei der billionenhohen europäischen Schuldenvergemeinschaftung von Seiten der Wohlmeinenden heißen: Bist du für Solidarität, oder bist du ein nationalistischer Egoist? Ein Land, dessen Repräsentanten in Politik und Medien sich diese Art der Gesprächssimulation an- und jede Dialektik abgewöhnt haben, kann sich selbst beim Dümmerwerden zuschauen.“
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Brief des britischen Unterhändlers David Frost an EU-Vertreter Michel Barnier:
https://www.achgut.com/artikel/ungeregelter_brexit_brief_aus_london_fuer_monsieur_barnier
Rumms!
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passend zum Thema:
https://www.tichyseinblick.de/wirtschaft/von-der-eu-nach-london-unilever-will-gehen-shell-ueberlegt/
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https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/das-wars-warum-ich-mein-f-a-z-abonnement-gekuendigt-habe/
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