8 Tage im Paradies

Den Sommer 2019 habe ich abgeschlossen, wie ich ihn eingeleitet hatte: mit 8 Tagen in Tirol, Mitte Juni und Mitte September. Dabei gab es bei meinen sieben Ausflügen vom zweiten Trip nur eine einzige Überschneidung mit dem ersten Mal.

Hafelekar

Diese Übereinstimmung war die Fahrt auf die Hafelekar-Spitze in 2.334 Metern, auf die ich in meinem Juni-Beitrag bereits ausführlich einging als einer der schönsten Orte, an denen ich je gewesen bin. Dort musste ich unbedingt nochmal hin! (hier meine ausführliche Beschreibung)

 

Axamer Lizum

Meine Tour ins Skigebiet Axamer Lizum war ein Abenteuer. Ich hatte mich zuvor nicht groß informiert, wusste nur drei Dinge:

  • Es ist vom Hotel aus schnell zu erreichen und ich hatte es im Juni ausgelassen.
  • Das „Sonnenplateau Hoadl“ sieht auf den Google-Fotos traumhaft aus.
  • Die Fahrt mit der Seilbahn zum Hoadl (2.340m) ist gratis wenn man, wie ich, mindestens drei Nächte in der Region Innsbruck übernachtet.

Vorausgesagt waren 23 Grad im Tal und 12 Grad auf der Spitze, und auf den Google-Fotos sah es so aus wie auf der Hafelekar-Spitze, also dass man den Blick aus jeder Ecke genießt, ein paar Fotos schießt, etwas isst und trinkt, und wieder runter fährt. Ich entschied mich also für Jeans und Sneakers.

Nach der Erkundung des Sonnenplateaus, einigen Fotos und einem kurzem Gespräch mit einem Ortskundigen ging ich einen breiten, extrem steilen Abhang über rutschiges Gestein hinunter, der zur Wegbeschreibung führte. Dort waren drei Damen, Ende 60, mit ihrer perfekten Ausrüstung bereits angekommen. Aus einiger Entfernung hörte ich bereits „Kommt, den jungen Mann lassen wir vor, der ist schneller“, worauf ich erwiderte, ich sei mir da nicht so sicher.

Beim netten Plausch empfahlen sie mir die Wanderung zum Birgitzköpflhaus („Sie sind doch noch jung“), das man von dort bereits sehen konnte, aber das unendlich weit weg zu sein schien. Ich war überrascht, dass man dort zu Fuß überhaupt hinkommen soll. Auf dem Wegweiser wurde eine Dauer von 2,5 Stunden für die Tour angegeben, also stolzierte ich los. Das folgende Bild zeigt das Ziel von dort wo ich zu Fuß gestartet bin sowie den Weg am rechten Rand, kaum zu erkennen.

Schnell wurde mir klar: Die älteren Damen sind ziemlich fit. Einen großen Vorsprung konnte ich hier nicht herausholen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass die Damen nicht zum ersten Mal dort waren. Ich hielt häufiger an, um den atemberaubenden Blick zu genießen.

Ich war sehr überrascht, dort auf so viele Menschen Ende 60, Anfang 70 zu treffen, denn man muss dort sehr trittsicher sein, sich gut überlegen welchen Schritt man als Nächstes macht, und sich teilweise festhalten wo immer es geht. Ich war dort der Einzige mit Jeans und der Einzige mit einfachen Sneakern.

Die Sonne brannte, und es war keine Seltenheit dass man 30 Minuten brauchte um von einem Schatten zum nächsten zu kommen.

Ein unklarer Wegweiser führte mich kurz ins Nirgendwo, und ich war froh, die meiste Zeit keine Menschenseele um mich zu haben, die mich nach Luft schnappen hört und einen Rettungseinsatz per Hubschrauber in die Wege leitet.

Plötzlich kam ich an einen seltenen Punkt, an dem ich sowohl den Startpunkt (Hoadl) als auch das Ziel (Birgitzköpflhaus) erblicken konnte. Es waren bereits 2 Stunden vergangen (von angeblich 2,5) und ich schätzte dass ich ungefähr 40 Prozent der Strecke hinter mir hatte.

Ich hatte nun zwei Optionen: Weitergehen auf einem Weg der sehr schwierig aussah, unendlich lang zu sein schien und der kaum den Eindruck erweckte als würde man dem Birgitzköpflhaus dort näher kommen. Oder umkehren, was bedeuten würde dass ich erstens einen sehr steilen, langen Hang wieder hinauf müsste, und zweitens dass ich eingestehen müsste, weniger fit zu sein als die Wanderer die knapp 40 Jahre älter sind als ich. Verzweifelt setzte ich mich in der brütenden Hitze erst mal hin, von Schatten weit und breit nichts zu sehen. Dann ging ich weiter.

Nach kurzer Zeit begegnete ich zwei Damen, Ende 60, und hörte „Ach, der Berliner“. Es waren die beiden Innsbruckerinnen, die den Parkplatz direkt neben mir hatten unten an der Seilbahn, und mit denen ich am Auto bereits 10 Minuten plauderte, nachdem sie mich auf mein Kennzeichen ansprachen. Sie waren überrascht, wie gut ich Tirol bereits kenne, aber auch von meiner Kleiderwahl Jeans und Sneaker. Und sie lehrten mich, dass man sich auf dem Berg nicht siezt, sondern duzt. Zwei unheimlich nette Damen, mit denen ich gleich nochmal 15 Minuten schwatzte.

Sie waren die Strecke andersherum gelaufen (sie starteten mit dem Sessellift zum Birgitzköpflhaus anstatt mit der Olympiabahn zum Hoadl) und nun trafen wir uns in der Mitte 🙂 Sie warnten mich mehrfach vor dem Weg, der vor mir liegt, ich solle doch vorsichtig gehen. Das stimmte mich nicht optimistischer. Zumal ich nun wusste: Wenn deren Auto nachher nicht mehr da ist, hab ich das Rennen verloren 😀

Auf der schwierigsten Passage, auf faustgroßen rutschigen Steinen, war ich fix und fertig. Plötzlich hörte ich ein langgezogenes „Haaallooooo“. Es war der kleine Junge, der mich einige Minuten zuvor mit seinen Eltern von der anderen Seite passierte. Sie waren gerade so weit weg, dass ich noch erkennen konnte dass sie in meine Richtung blickten und eine Antwort erwarteten. Das Echo-Spiel zauberte mir endlich wieder ein Lächeln ins Gesicht.

Der restliche Weg war aber eine einzige Qual. Die Lust, Fotos zu schießen und die Aussicht zu genießen, nahm immer weiter ab. Ich wollte nur noch ankommen! Ständig musste ich Pausen einlegen, denn der Weg war steil, schwierig zu gehen und die Sonne brannte. Die letzte Seilbahn fährt in den Alpen im Sommer immer so zwischen 16 und 17 Uhr zurück ins Tal – ich hatte also auch Zeitdruck.

Schließlich sah ich auf einem Wegweiser, dass ich wohl in 30 Minuten am Ziel bin. Darauf folgte allerdings das steilste Stück. Gefühlte 30 Minuten später wurde angezeigt, dass es noch 20 Minuten dauern würde! Dann, eine Stelle mit frischem Wasser. Für die Gruppe von etwa zehn Leuten im Alter von 20 bis 30, die wohl gerade vom Birgitzköpflhaus (2.037m) aufgebrochen war, muss ich dort am Wasser ausgesehen haben wie einer, der tagelang durch die Wüste geirrt ist. In den vorherigen 45 Minuten musste ich 4-5 Pausen einlegen, so erschöpft war ich.

Endlich, am Ziel angekommen, wischte ich mir den Schweiß ab, trank ein kühles Radler und verschlang eine große Portion Käsespätzle. Noch nie war ich so froh, Menschen und eine Hütte zu sehen.

Zurück nach unten ging es dann nicht wie auf dem Hinweg in einer geschlossenen Kabine mit 20 Leuten, sondern allein im Sessellift. Ich hielt mich an das, was der Typ 20 Meter vor mir machte. Schnell dachte ich: „Sind die verrückt geworden, so etwas anzubieten?“. Ich krallte mich – wie mein Vordermann – links und rechts an die dünnen Metallstangen, meinen Hintern und meine Schultern so weit nach hinten gepresst wie möglich. Ein Junge kam mir mit seiner Mutter im Lift von unten entgegen und sagte: „Du musst den Sicherheitsbügel schließen“. Der war in meinem Blickfeld nicht zu sehen, denn er war über bzw. hinter mir. Ich griff mit einer Hand nach oben, zog irgendetwas runter und schon hingen meine Füße nicht mehr in der Luft und auch vor mir hatte ich nun eine Stange. Der Herr vor uns hörte uns allerdings nicht und fuhr weiter, festgekrallt wie eine Katze, nach unten.

Das war der Abschluss einer unvergesslichen Tour mit atemberaubenden Panorama-Blick. Und: Ich war als Erster am Auto. Ich vermute, die beiden erwähnten Damen sind noch im Hoadl-Haus eingekehrt, bevor sie nach unten fuhren.

Insgesamt benötigte ich vom Hoadl-Haus zum Birgitzköpflhaus etwa 4 Stunden (gefühlt waren es mindestens 8). Es wären wohl wie angegeben 2,5 Stunden gewesen, wenn ich nicht für Fotos/Videos und Plaudereien gehalten hätte und mich nicht kurz verirrt hätte.

 

 

Zugspitze

Den höchsten Berg Deutschlands (2.962m) befuhr ich von der österreichischen Seite aus mit der Tiroler Zugspitzbahn von Obermoos/Ehrwald, statt von Eibsee auf der deutschen Seite.

Beim Hochfahren haben wir einige Kletterer gesehen, wirklich beeindruckend!

Es ist ein ganz anderes Erlebnis als auf den anderen Bergen, auf denen ich war. Zunächst mal ist die Zugspitze einige Hundert Meter höher und der höchste Punkt der Umgebung. Man kann also weiter gucken, aber es ist auch kälter/windiger und ohne Kletterausrüstung kommt man nicht weit, kann nur einmal auf der recht großen Plattform herumlaufen und das war‘s.

Ich habe mich dort etwa anderthalb Stunden aufgehalten. Auf der Hafelekar-Spitze war ich beide Male deutlich länger, weil die einfach mehr zu bieten hat. Die Aussicht von der Zugspitze ist aber toll!

 

Mutterer Alm

Die Google-Fotos vom Panoramasee auf der Mutterer Alm (1.608m) waren so schön, dass ich die Tour fest eingeplant hatte, zumal die Fahrt mit der Seilbahn gratis ist, wenn man mindestens drei Nächte in der Region Innsbruck übernachtet.

Dort war ich an einem der ersten Tage, als es vormittags immer noch etwas bewölkt war. Es war gar nicht so einfach gute Fotos zu schießen, vor allem wenn die Spiegelung auf dem See vernünftig aussehen soll, doch letztlich hat es geklappt:

 

Kühtai

Kühtai wählte ich als Abschluss vor dem Rückreisetag. Ich fuhr mit der Dreiseenbahn rauf (2.420m) und wanderte dort nochmal etwa 3 Stunden mit wunderbarem Blick.

 

Walchensee

Der Walchensee wurde kürzlich zum schönsten See Deutschlands gewählt und eine ehemalige Kollegin schwärmte davon. Keine Frage also, dass ich dorthin musste. Auch hier trugen mich meine Füße wieder einige Kilometer, immer am Ufer entlang.

 

Achensee

Am Achensee waren meine Eltern bereits vor einigen Wochen und fanden es herrlich, genau wie ich.

Kleiner Tipp: Am schönsten ist es dort im Örtchen Pertisau, wo ich ein unglaublich leckeres Eis hatte. Dort kann man auch mit der Karwendelbahn auf den Berg fahren, von wo der Blick sicher noch besser ist.

 

Und sonst so

Das waren meine 7 Erlebnisse. Was gibt es noch zu erzählen?

Ich entschied mich wieder für das wunderbare Sporthotel Igls sowie den tollen Ägidihof für die abendliche Verköstigung. (hier schrieb ich mehr dazu)

Mit dem Mietwagen, einem Skoda Fabia Kombi mit Gangschaltung als Ersatz für einen Audi A3 Sportback mit Automatik (bei Europcar dieselbe Preisklasse!), fuhr ich dieses Mal nur 550 Kilometer statt wie beim letzten Mal 900. Es gibt in der Region Innsbruck so viele tolle Dinge zu erleben, dass man nicht 100km pro Tag fahren muss. Benzin ist in Österreich günstig, ich zahlte 1,24 Euro je Liter. Ein paar hundert Meter hinter der Grenze wollten die Deutschen am selben Tag 1,55 €/l haben. Erstaunlich für mich war, dass ich eine Woche lang kein einziges Mal Parkgebühren zahlen musste.

Zu essen gab es natürlich klassische österreichische Küche. Die Schnitzel sind dort so herausragend, dass ich mich gleich 3x dafür entschied (dreimal vom selben Koch).

Okay, eine Anekdote hab ich noch:

Beim Sicherheitscheck in Berlin war ein älterer Herr vor mir und noch davor ein Ehepaar auf der Rückreise. Der Ehemann wollte nicht verstehen, dass er seine 2 guten Flaschen Whisky nicht im Handgepäck mitführen darf, da sie die 100ml Höchstgrenze für Flüssigkeiten übersteigen. Dass jemand zwei edle, volle Whisky-Flaschen in den Müll wirft, sieht man auch nicht alle Tage.

Dann war der wirre Mann, Ende 50, an der Reihe. Auch er musste sich lang und breit über die Sicherheitsbestimmungen belehren lassen. Am Ende rutschte ihm, mangels Gürtel, die Hose runter bis auf die Schuhe, was ihm aber nichts auszumachen schien. Er marschierte munter weiter. Auch das Grölen der Leute störte ihn offenbar wenig. Die Sicherheitsleute nahmen ihn erst mal mit in einen geschlossenen Raum, was dazu führte, dass niemand da war, der mich abtasten durfte. Nachdem 5-6 Frauen an mir vorbeigehen durften, sagte die Sicherheitsfrau „Na gut, junger Mann, wir versuchen es mal“. Kein Piepen, das war‘s.

Nachdem ich Handy, Schlüssel und Geldbörse wieder eingesteckt hatte, den Laptop verstaut hatte, meine Sweatjacke angezogen und meinen Gürtel umgeschnallt hatte, stand ein Herr vor mir und sagte „Kommen Sie mal bitte mit“. In einem abgetrennten Bereich nahm er einen Teststreifen und zog ihn durch meinen Rucksack, bevor er ihn in eine Maschine steckte. Ich fragte „Was suchen Sie denn? Drogen?“ worauf er entgegnete „Sprengstoff“. Das war eine Premiere für mich. Und weil es so schön war, haben wir das Prozedere in Innsbruck beim Rückflug gleich nochmal wiederholt. Dieses Mal allerdings nicht an meinem Rucksack, sondern an meinen Händen und am Hosenbund.

 

Kosten

  • 89 EUR für die Flüge
  • 427 EUR für 7 Übernachtungen, 7x Frühstück, Kurtaxe und das Trinkgeld fürs Zimmermädchen
  • 404 EUR fürs Auto (357€ Miete, 47€ Benzin, 0€ Maut, 0€ Parkgebühren)
  • 232 EUR für Verpflegung (Restaurants, Cafés, Supermärkte)
  • 95 EUR für die Fahrten mit der Seilbahn (Zugspitze, Hafelekar, Dreiseenbahn)
  • 11 EUR für einen Kinobesuch

Damit komme ich auf rund 1.250 Euro. Wie schon im Juni war der Urlaub jeden Euro wert und wird mir noch lange in guter Erinnerung bleiben.

 

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5 Gedanken zu „8 Tage im Paradies

  1. Deine Beschreibung hat mir nette Erinnerungen an Mark Twain „Ein Bummel durch Europa“ gebracht 😉 Mark Twain hat die Längen- und Zeitangaben aus einem Reiseführer? kritisiert und die tatsächlichen Zeiten übermittelt. Bei ihm waren die wirklichen Werte aber längen größer als bei Dir.

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