Warum ich überwiegend in den USA investiere – Eine Geschichte über Patriotismus, braunes Zuckerwasser und meine Oma

90% meines Aktienportfolios hat seinen Hauptsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika. Lediglich 3 von 17 Unternehmen sind in Europa beheimatet, deren Portfolioanteil 10% beträgt.

Da ich gern in Global Player investiere, sieht es bei der Umsatzverteilung schon anders aus. Hier kommt mein Portfolio auf 55% US-Anteil. Das ist immer noch viel, wenn man bedenkt, dass das US-Bruttoinlandsprodukt „nur“ 26% des Welt-BIP ausmacht. Dennoch fühle ich mich mit meiner geografischen Diversifikation pudelwohl.

Wie kommt der hohe US-Anteil in meinem Depot zustande? Habe ich ein Faible für US-Unternehmen? Werfen wir einen Blick auf meine Auswahlkriterien beim Investieren, die ich hier im Blog zuletzt am 20. August genannt hatte.

  • leicht verständliches, aber schwierig zu kopierendes Geschäftsmodell
  • gute Marktwachstumsaussichten
  • stetig steigende Umsätze (dabei im Optimalfall ein hoher Anteil organischen Wachstums)
  • stetig steigende Cash Flows
  • finanzielle Stabilität (z.B. geringer Verschuldungsgrad), die es ermöglicht in allen Konjunkturphasen Geld zu niedrigen Zinssätzen zu leihen
  • hohe Profitabilität in Bezug auf Umsatz und Kapital (optimalerweise sollte diese Profitabilität weiter ansteigen)
  • hoher Marktanteil und damit große Machtmarkt gegenüber Lieferanten und Kunden
  • (Quasi-)Monopole bzw. große Lock-In-Effekte bei Kunden, die dadurch immer höhere Preise akzeptieren
  • ehrliches, aktionärsfreundliches Management (im Optimalfall mit erheblicher Beteiligung am Unternehmen und einem Vergütungsmodell das auf langfristigen Erfolg ausgerichtet ist)
  • Fähigkeit, die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen
  • Wettbewerbsvorteil (der möglichst langfristig bestehen bleibt), z.B. durch höchste Qualität, niedrigste Preise oder größte Innovationskraft

Wie ihr seht, fehlt von geografischen Merkmalen jede Spur. Ist meine US-Konzentration also nur Zufall?

Ich habe heute 8 Punkte herausgearbeitet, die – in Summe – als Erklärung meiner Vorliebe für US-Unternehmen dienen könnten. Am Ende werde ich auflösen, ob US-Aktien in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich besser gelaufen sind (inklusive Dividenden).

 

(1) Mut zur Gründung und zum Börsengang

Deutschland ist das Land der Beamten und Angestellten. Ich kann mich an keinen einzigen Satz aus meinen 13 Schuljahren erinnern, der mich darauf vorbereitet hätte, ein eigenes Unternehmen zu gründen. In den allermeisten Studiengängen an deutschen Hochschulen wird es ähnlich aussehen. Wer Ingenieurwesen studiert – der wird darauf vorbereitet, bei Volkswagen zu arbeiten, aber wohl kaum darauf, etwas Eigenes zu erschaffen.

In den USA sieht es völlig anders aus. Die Vereinigten Staaten sind ein Land der Gründer. US-Amerikaner unterliegen nicht der „German Angst“ vor dem Scheitern. Wer eine Idee hat, mit deren Umsetzung er potentiellen Konsumenten einen Mehrwert bieten könnte, der krempelt die Ärmel hoch und los geht’s.

Bill Gates Steve Jobs

Bill Gates, Steve Jobs, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Elon Musk, Larry Page, Sergey Brin, Walt Disney, Warren Buffett. Welchen Deutschen könnte man in die Aufzählung aufnehmen?

Doch nicht nur bei der Gründung sind die Amis mutiger. Der Börsengang ist ein Schritt, den die allermeisten deutschen Mittelständler nicht gehen möchten. In den USA ist dies hingegen selbst unter kleinen und mittelgroßen Unternehmen völlig normal.

Warum sollte der US-amerikanische Mut zur Gründung und zum Börsengang Auswirkungen auf die Portfolios deutscher Kleinanleger haben?

Ganz einfach: Die Vielfalt an börsennotierten Unternehmen ist dort wesentlich höher als auf unserer Seite vom Großen Teich.

Übertrieben ausgedrückt: Wer sein Aktiendepot nicht nur mit Automobilherstellern, Banken und Maschinenbauern bestücken möchte, der ist auf US-Unternehmen angewiesen.

 

(2) Weniger Bürokratie / Verwaltung

Es gibt wohl kein Land der Welt, in dem sich Unternehmen an so viele Gesetze und Verordnungen halten müssen wie in Deutschland.

Die Regeln zu Buchhaltung, Steuern, Arbeitsschutz & Co. haben gigantische Ausmaße angenommen – egal ob aus Berlin oder aus Brüssel.

Das kann man gut oder schlecht finden. Um diese Frage soll es hier nicht gehen. Ich möchte auch keine Beispiele angeben, weil es mich so sehr aufregt, was europäische Unternehmen und Konsumenten sich von Politikern gefallen lassen müssen.

Fakt ist: Diese Dinge kosten die Unternehmen – und damit letztlich die Aktionäre – viel Geld und sind somit ein erheblicher Nachteil von EU-Aktien gegenüber US-Aktien.

 

(3) Gigantischer Heimatmarkt

Ein US-Unternehmen hat auf dem Heimatmarkt 323 Millionen potentielle Konsumenten, wohingegen ein deutsches Unternehmen nur höchstens 83 Millionen Menschen auf dem Heimatmarkt bedienen kann.

Nun würde Jean-Claude Juncker (Herr der 28 Königslande) Einspruch erheben und sagen, der Heimatmarkt eines deutschen Unternehmens ist die Europäische Union – und schon wären wir bei 512 Millionen möglichen Konsumenten.

Das kann man behaupten. Jedoch gibt es zwischen Kalifornien, Nevada und Arizona nicht so krasse Unterschiede (was Gesetzgebung und Kultur angeht) wie zwischen Deutschland, Italien und Polen.

USA

Die Wünsche der Konsumenten in den 28 EU-Staaten sind vielfältiger als in den 50 US-Bundesstaaten. Dies führt zu höheren Kosten für EU-Unternehmen und damit zu geringeren Aktionärsrenditen.

 

(4) Magnet für kluge Köpfe

Die USA sind das Land der Freiheit und Selbstbestimmung. Das macht US-Firmen zu Magneten für Hochqualifizierte aus der ganzen Welt.

Wärst du indischer IT-Experte, wo würdest du lieber leben – in Deutschland/Frankreich/Italien oder in den USA? Die Fakten zeigen, dass die 2. Option eindeutig die beliebtere ist.

Auch hier gilt: Wer die klügsten Köpfe anzieht, wird den größten Erfolg haben, was letzten Endes auch den Aktionären zugutekommt.

 

(5) Patriotismus

Wenn ein Deutscher sich zwischen den Nike-Sneakern und den Adidas-Sneakern entscheiden muss, so achtet er auf das Design, den Tragekomfort und den Preis. Wenn ihr mich fragt, so hat keines der beiden Unternehmen in einem der drei Kriterien eindeutig die Nase vorn. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen seit Jahrzehnten.

Bei US-Verbrauchern kommt jedoch noch ein viertes Kriterium hinzu: Patriotismus. Stellt ein Amerikaner keine großen Unterschiede bei Design, Komfort und Preis fest, so wird er sich sehr wahrscheinlich für den Nike-Treter entscheiden, weil es ein US-Unternehmen ist.

Das ist für mich einer der Hauptgründe dafür, dass Nike seit 28 Jahren die Nummer Eins ist – mit Adidas als langjähriger Nummer Zwei auf dem Sportartikelmarkt.

US Flaggen

 

(6) Stabilität

Meine Oma hat bereits 3 Währungsumstellungen erlebt: von Reichsmark zu DDR-Mark, von DDR-Mark zu D-Mark, von D-Mark zu Euro. Dabei lag das Fleckchen Erde, auf dem sie ihren wohlverdienten Ruhestand genießt, im Deutschen Reich, in der Deutschen Demokratischen Republik sowie in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Staatsoberhäupter kamen aus der NSDAP, der SED, der CDU und der SPD – Parteien also, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Geboren wurde meine Oma im Jahr 1936, doch Aktien besitzen darf sie erst seit 1990. In ihren ersten 54 Lebensjahren war ihr Aktienbesitz verboten.

Der US-Dollar ist bereits seit dem Jahr 1785 die Währung der US-Amerikaner. Seitdem gab es nur einen einzigen Tag, an dem die USA auf eigenem Boden von einem fremden Land angegriffen wurden (Pearl Harbor).

Seit 1853 waren US-Präsidenten entweder Demokraten oder Republikaner. Bereits seit 1884 gibt es den Dow-Jones-Index. Die heutigen Landesgrenzen der USA stehen seit über 100 Jahren fest, in Deutschland erst seit knapp 27 Jahren.

Ich las einmal den Satz: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Coca Cola in 50 Jahren noch bestehen wird, ist höher als die Wahrscheinlichkeit dass die Bundesrepublik Deutschland in 50 Jahren noch bestehen wird“. Das klingt zunächst verrückt, doch wenn man mal darüber nachdenkt…

Ich will darauf hinaus, dass US-Unternehmen ein höheres Maß an Planungssicherheit haben sowie eine seit vielen Jahrzehnten bärenstarke Wirtschaft und Währung.

Größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag ist derzeit „Die Linke“. Auf Seite 78 des aktuellen Parteiprogramms steht, welche Branchen man verstaatlichen möchte: Banken, Versicherungen, Energiekonzerne, Pharma- und medizinische Industrie, die Post, die Telekommunikationsinfrastruktur sowie „weitere Schlüsselindustrien“. Die Aktionäre sollen also enteignet werden. In den USA könnte man mit einer solchen Denkweise seine politische Karriere an den Nagel hängen.

 

(7) Demografischer Wandel

Deutschland vergreist. Das ist eine erhebliche Herausforderung für Staat und Unternehmen. Man muss weder Betriebswirtschaftler, noch Demografie-Exporte sein, um sich vorstellen zu können, dass es besser für Unternehmen ist, wenn im Heimatmarkt 1,84 Kinder pro Frau geboren werden (USA)  statt 1,5 (Deutschland). Je mehr neue Konsumenten „gezüchtet“ werden, umso besser für die Firmen und damit für die Aktionäre.

Kids USA

 

(8) Aktienkultur

Etwa 56% der US-Amerikaner sind direkt (über Aktien) oder indirekt (über Aktienfonds) an Unternehmen beteiligt. Die Deutschen kommen mit ihrer „German Angst“ lediglich auf 15%.

Aktien sind der wichtigste Baustein der Altersvorsorge von Millionen US-Amerikanern.

Damit haben Aktionäre eine weitaus höhere Macht als in Deutschland. Die Besteuerung von Kapitalerträgen ist in den USA ein wichtigeres Wahlkampfthema als derzeit in Deutschland.

Mit einer Verdopplung der Kapitalertragssteuern würde man in Deutschland niemanden demonstrierend auf die Straße bringen. In den USA würden die Wähler dagegen Sturm laufen, denn dort ginge es um Altersarmut statt um „Zocker“. Dies führt letztlich zu aktionärsfreundlicherer Politik und zu höheren Renditen.

Auch die Unternehmen haben höhere Anreize für Entscheidungen im Sinne langfristig orientierter Aktionäre als beispielweise in Deutschland. Das sieht man nicht nur bei den Dividenden und Aktienrückkäufen.

Von vierteljährlichen Dividendenausschüttungen (wie in den USA üblich) werden Aktionäre deutscher Unternehmen noch lange träumen müssen.

Das ist nur ein Beispiel, das aufzeigt, dass US-Aktien aufgrund von aktionärsfreundlicherer Politik womöglich stärker steigen werden als europäische. Wer seine Rente mit Dividenden aufbessern will, will dies nicht nur im 2. Quartal tun, wenn europäische Unternehmen Dividenden ausschütten. Er ist auf US-Unternehmen angewiesen. Diese höhere Nachfrage führt zu höheren (Aktien-)Preisen und damit zu höheren Aktionärsrenditen.

American Way Of Life

 

Und die Realität?

Dies waren in meinen Augen 8 sinnvolle Argumente. Folgen sollen nun harte Fakten.

Den DAX gibt es seit 1988. Als Performanceindex (also mit Dividenden) wurde er bis 1981 zurückgerechnet. In den 35 Jahren von Ende 1981 bis Ende 2016 stieg der DAX um 9,4% pro Jahr. Der S&P 500 Total Return Index (also ebenfalls mit Dividenden) stieg in diesem Zeitraum hingegen um 11,4% pro Jahr – eine Outperformance von 2% pro Jahr.

Hypothese bestätigt? Moment! In meinem Bücherregal steht „der Kommer“ – das wohl meistgelesene deutschsprachige Buch über ETFs. Gerd Kommer belohnte seine Leser am Ende des Buches mit einer tollen Doppelseite, auf der die Jahresrenditen verschiedener Investments für unterschiedliche Zeiträume angegeben sind, und zwar stets in Euro bzw. D-Mark berechnet sowie inflationsbereinigt. Für meinen Beitrag taugen die Angaben für MSCI USA und MSCI Europe.

1993 bis 2014
USA: 7,2% p.a.
Europa: 5,5% p.a.
Vorteil USA.

1988 bis 2014
USA: 8,8% p.a.
Europa: 6,9% p.a.
Vorteil USA.

1975 bis 2014
USA: 8,2% p.a.
Europa: 8,0% p.a.
Vorteil USA.

1970 bis 2014
USA: 5,2% p.a.
Europa: 5,3% p.a.
Vorteil Europa.

In dem aus Sicht deutscher Privatanleger aussagekräftigsten (weil längsten und in gleicher Währung berechneten) Vergleich lagen die Renditen also gerade einmal 0,1% auseinander.

 

Fazit

Es ist – wie immer beim Investieren – eine individuelle Entscheidung, ob man auf Basis von Vergangenheitsdaten entscheidet oder ob man mehr von meinen 8 vorgestellten Punkten überzeugt ist.

Wie eingangs erwähnt, habe ich noch nie eine Investition vom Hauptsitz des Unternehmens abhängig gemacht. Außerdem fühle ich mich mit den genannten 90% Hauptsitz-USA-Anteil bzw. den 55% Umsatz-USA-Anteil meines privaten Aktienportfolios sehr wohl und nur darauf kommt es letzten Endes an.

 

38 Gedanken zu „Warum ich überwiegend in den USA investiere – Eine Geschichte über Patriotismus, braunes Zuckerwasser und meine Oma

  1. Einen weiteren Grund, in den USA zu investieren, hat Morgan Housel heute getwittert, leider nur als Bild ohne Quellenangabe.

    Estimated percentage change in working-age population 2019-2050:
    USA plus 13%
    China minus 20,6%
    France minus 2,2%
    Germany minus 22,2%
    Italy minus 15,2%
    Russia minus 18,9%
    South Korea minus 30%

    Bezieht sich auf meinen Punkt 7 im Beitrag.

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