Das tote Pferd namens Verbrennungsmotor – Erwacht es wieder?

Ein Freund, der in der Automobilindustrie arbeitet, sagte mir dass sich das Pendel in seinem Unternehmen wieder in Richtung Verbrenner bewegen wird, falls das EU-Verbrenner-Verbot für 2035 gekippt wird.

Bei der Frage „Verbrenner oder Elektro?“ braucht man weder Verbots- und Strommixdebatten, noch Subventionen oder Greta Thunberg. Man braucht: Physik, Ökonomie, Ingenieurwesen.

Vor 5 Jahren beschrieb ich in einem längeren Beitrag, welche Vorteile Elektroautos aufweisen:

  • weniger Energieverbrauch
  • geringere Kosten
  • höhere Sicherheit
  • besseres Fahrgefühl (Beschleunigung, Schwerpunkt, Lautstärke)
  • größerer Innenraum (Verhältnis zu Außenmaßen)

(hier alles im Detail nachzulesen)

Norwegen liegt seit knapp 4 Jahren bei über 80% Elektro-Marktanteil. Es geht also, wenn man möchte.

Hier seht ihr die globale Entwicklung der Elektroauto-Verkäufe (Summe aus Battery Electric Vehicle und Plugin Hybrid Electric Vehicle).

Auch wenn die Entwicklung beeindruckend ist und auch der Marktanteil stark gestiegen ist auf 16% (BEV+PHEV) bzw. 11% (BEV) in 2023: Wenn alles wie oben aufgeführt für E-Autos spricht, weshalb liegen wir dann global noch nicht bei 80%?

(1) Hersteller mit geringen Elektroauto-Stückzahlen haben noch keine ausreichend großen Skaleneffekte, um diese mit den Margen zu verkaufen, die ihre Aktionäre von den Verbrennern gewohnt sind. Daraus folgt, dass die Preise nicht so niedrig sind, wie sie sein könnten.

(2) Viele Kunden lassen sich noch immer vom „Autohändler ihres Vertrauens“ beraten. Autohändler haben keinen Anreiz, E-Autos zu empfehlen, weil sie so weniger Geld mit Wartung und Reparatur verdienen würden.

(3) Eine weitere Folge der geringeren Komplexität von E-Autos ist, dass Gewerkschaften und Politik (und Journalisten) gegen den Abbau der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie kämpfen.

(4) Die Kosten für Batterien sinken zwar rapide, sind aber immer noch recht hoch. Bei $139/kWh in 2023 macht das bei einem 80kWh-Batteriepack $11,120.

(5) Die Manager von BMW & Co. sind gar nicht lange genug am Ruder, um Entscheidungen zu treffen die auf 15-20 Jahre gesehen sinnvoll sind. Seit Elon Musk bei Tesla ist, hatte BMW 4 CEOs.

(6) BMW & Co. fehlt die vertikale Integration, um mit Tesla mithalten zu können. Während sich die deutschen Hersteller nur um Motor und Karosserie zu kümmern scheinen, kümmert sich Tesla um:

  • eigene Batterieproduktion
  • eigene Ladeinfrastruktur
  • eigene Software für autonomes Fahren
  • eigene Hardware für autonomes Fahren
  • eigenen Verkauf an den Endkunden
  • eigene Lithium-Raffinerie
  • Batteriespeicher für Haushalte
  • Solardächer

Alexander Voigt schrieb vor 5 Jahren: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass man mit einem horizontal integrierten Unternehmen gegen einen vertikal integrierten Wettbewerber in einer Zeit der Disruption gewinnen kann. Um ein gutes vollelektrisches Fahrzeug zu bauen, müssen Sie vertikal integriert sein und alle Teile der Lieferkette, alle Teile des Fahrzeugs und alle Teile der Dienstleistungen kontrollieren und steuern. Wenn eine neue Technologie auftaucht, müssen Sie Ihr Geschäftsmodell von Grund auf in Frage stellen und anfangen, vom Ende bis zum Anfang zu denken und nicht anders herum. Wenn Sie nicht vertikal und vollständig integrieren, dann konkurrieren Sie mit nur einem Element Ihres Unternehmens gegen ein Universum, das Sie nicht besitzen, verwalten und kontrollieren. Mit der vertikalen Integration können Sie Design, Engineering, Fertigung und die Balance der Kombination von Soft- und Hardware auf einem Niveau optimieren, das ein besseres Kundenerlebnis sowie mehr Marge und Gewinne bringt. Sie vermeiden Reibungsverluste, die alle anderen durch ständige Interessenkonflikte haben. Wenn Sie horizontal integriert sind, können Sie nicht einfach in vertikal wechseln, da Sie alle Geschäftspartner verlieren würden und damit Know-how im Haus aufbauen müssen, das Sie heute nicht haben. Dafür braucht man Zeit, die man in einer Zeit der Disruption und schnellen Veränderung nicht hat. Wenn das nicht wahr wäre, hätten wir längst gesehen, dass große horizontal integrierte Wettbewerber ihre Finanzkraft nutzten, sei es durch Kosten-, Margen- oder Größenvorteile, um die Bedeutung von Tesla, einem vertikal integrierten Unternehmen, zu verringern, zu minimieren und zu marginalisieren. Was wir heute tatsächlich sehen, ist nicht mehr so sehr ein Herausforderer und neuer Spieler, der gegen etablierte Unternehmen gewinnt, sondern ein neues Konzept, um ein Unternehmen aufzubauen, das gegen ein altes gewinnt.“

Dass Tesla 2023 mehr Gewinn erzielte als BMW, war die logische Folge.

Ebenfalls passend und von 2019:

„Tesla hat erkannt, dass der wichtigste Schlüssel des Erfolges nicht das Auto, sondern die Batterie ist. Tesla hat erkannt, dass der zweitwichtigste Schlüssel zum Erfolg nicht das Auto, sondern ein Netzwerk an Ladestationen ist. Tesla macht Elektroautos für Autofahrer und nicht für Jute-statt-Plastik-Tagträumer, die sowieso nie ein (neues) Auto kaufen. Tesla hat erkannt, dass Autofahrer nicht mit Verzicht zu ködern sind, sondern nur mit Euphorie und Begeisterung. Um Euphorie und Begeisterung für Elektrofahrzeuge aufkommen zu lassen, suchte und fand Tesla ein Feature, das Verbrenner alt aussehen lässt: Das Feature heißt Beschleunigung. Tesla hat mit Musk einen charismatischen CEO, der polarisiert und es brillant versteht, immer wieder Aufmerksamkeit zu generieren. Tesla hat sich von einem Autohersteller zu einem Energiekonzern gewandelt. Tesla verkauft nicht nur Autos, sondern das Gefühl, die Welt zu verbessern. Der aber wirklich größte Verdienst von Tesla fehlt in dieser Liste: Tesla hat einer uninspirierten, rückständigen und selbstgefälligen Industrie derart den Hintern versohlt, dass dieser nun nichts anderes übrig bleibt, als die ehemals belächelten Ideen kleinlaut und schnellst möglich zu kopieren.“ (Patrick Toggweiler)

10 Gedanken zu „Das tote Pferd namens Verbrennungsmotor – Erwacht es wieder?

  1. Ganz einfache Frage: warum haben in den letzten Monaten Autovermieter ihre Elektroflotte wieder verkleinert. Argument: Wartung zu teuer, Wertverlust nicht kalkulierbar (was ganz klar auf ein nicht ausgereiftes Produkt schließen lässt)?

    Like

    • „ihre Elektroflotte wieder verkleinert“

      Interessant von Verkleinerung zu sprechen wenn man nach Kauf von 300.000 E-Autos 100.000 verkauft. Dreihundert minus einhundert ist bei mir mehr als null.

      „Wartung zu teuer“

      Das ist nun wirklich kompletter Unfug. Hast du dich mal mit den Unterschieden zwischen Benzinern und E-Autos beschäftigt?

      „Wertverlust nicht kalkulierbar“

      Tesla hat Preise gesenkt, weil sie im BEV-Bereich Umsatz-Bester und Margen-Bester sind und wissen dass die Konkurrenz um die schwarze Null herum schwankt. Scheinbar muss man den Autovermietern einmal Deflation und dessen Folgen erläutern. Was hat das mit der Frage zu tun, ob Strom oder Dinosauriersaft besser ist?

      Like

    • der Business Case der Autovermieter ist, Autos in großen Mengen mit hohem Rabatt beim Hersteller zu kaufen, 1-2 Jahre zu betreiben und dann zum Einkaufspreis weiterzuverkaufen.

      Die Preise der Elektroautos fallen, durch technischen Fortschritt. Dadurch geht das Spiel für die Verleiher nicht auf – und man schiebt Strohmannargumente vor.

      Gefällt 1 Person

    • Ja, wo sind sie denn?

      Die 5 genannten Vorteile basieren auf physikalischen Gegebenheiten. Daran gibt es nichts zu rütteln.

      Nichts außer der Physik setzt uns Grenzen, wie Elon Musk so schön sagt.

      Wenn du Benzingeruch und knatternden Auspuff vermisst, kann man Geruchs- und Geräusch-Features einbauen.

      Like

      • Punkt 2 und 4 (Gefühl ist nicht Physik) haben nichts mit Physik zu tun.

        Etwas was man noch aufführen könnte: Ladezeit vs Zeit zum Tanken, Redundanz (ein Reservekanister Benzin oder Diesel ist leichter mitgenommen), Löschmöglichkeiten bei Brand (keine Ahnung wer hier aktuell besser abschneidet) etc

        Nicht falsch verstehen, bei mir wird sicher irgendwann ein E zuhause stehen, haben sogar schon überlegt, aber aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen den Tausch verschoben.

        Aber eine vernünftige, seriöse Analyse (bzw Artikel) beleuchtet immer möglichst viele Seiten, pro und contra und nennt korrekte Zahlen. Das könntest/solltest noch ein bisschen ergänzen bzw ändern.

        LG

        Like

  2. Wann der Drehmoment anliegt hat nichts mit Physik zu tun? (4)

    Wo der Schwerpunkt sitzt hat nichts mit Physik zu tun? (4)

    Die geringeren Kosten (2) ergeben sich ja gerade aus der physikalischen Realität der Konstruktion.

    Nenn es wie du willst. Am Vorsprung in diesen 5 Bereichen lässt sich nichts drehen oder wegdiskutieren.

    „ein Reservekanister Benzin oder Diesel ist leichter mitgenommen“

    Ein Pferd überlebt so manches Auto.

    „Das könntest/solltest noch ein bisschen ergänzen bzw ändern“

    Oder du?

    Gefällt 1 Person

    • Hi,

      zu (4): ich habe mich ausdrücklich auf das Fahrgefühl bezogen. Und wie ein Mensch empfindet, also fühlt!, hängt vom Menschen ab. Zb Eine zu hohe Beschleunigung ist für den Menschen auch wieder unangenehm bzw verkehrt (bis hin zu tödlich, das spielt im normalen Verkehr aber keine Rolle, nur bei Unfällen)

      zu (2) Entwicklungskosten, Materialkosten, Arbeitskosten zb haben nichts mit Physik zu tun. Nimm einen VW Käfer, der ist fertig entwickelt, finde jemanden der dir die entsprechenden Stähle und Gussteile um einen Spotpreis abgibt und einige, oder viele Enthusiasten die gratis arbeiten. Die Physik hinter der Karre ist noch immer die gleiche, aber der Preis auf einmal unschlagbar billig (dass sie wohl kaum einen Markt hätte, auch nicht zum Verkauf zugelassen werden würde etc ist eine andere Geschichte – das Beispiel ist allerdings auch ein wenig extrem).

      „Ein Pferd überlebt so manches Auto.“ Dann könnte man das in einer Analyse auch als Argument bringen, auch wenn die Gewichtung des Vorteils eher klein ist. So wie man auch schreiben könnte, dass ein (kleiner) Vorteil des Pferdes die Zuwendung des Pferdes ist, obwohl die Nachteile des Gauls als Transportmittel deutlich überwiegen.

      Ich hab ja eh ein paar Vorschläge zur Ergänzung geliefert, es ist aber DEIN Artikel 🙂

      zu den Ladezeiten: ich hab nicht argumentiert, sondern nur den Vorschlag gemacht, dass du auch diesen Punkt aufnehmen solltest, kann man kurz und knapp mit Zahlen präsentieren, Ausblick auf die Entwicklung geben und auch ein bisschen die Physik ins Spiel bringen.

      LG

      Ps: die 80% gehören eigentlich auch noch unmissverständlicher formuliert bzw in den richtigen Kontext gestellt.

      Like

  3. „Ladezeit vs Zeit zum Tanken“

    Das ist so ein typisches Argument von Leuten, die noch nie selbst ein Elektroauto besessen haben, und auch niemanden im engeren Freundes-/Familien-/Kollegenkreis haben, mit dem sie sich mal intensiv zum E-Auto-Besitz ausgetauscht haben.

    Gefällt 1 Person

  4. Ich bin mal gespannt, wo die Reise hingeht. Meine Sorge wäre eher die Haltbarkeit, mein Auto ist jetzt 17 Jahre alt. Hält ein E-Auto auch so lange? Ich zweifel da an der Batterie, aber das wird sich sicher zeigen.

    Was ich mich auch frage ist, wo die alle so laden sollen. Hab dazu auch mal meine Meinung geschrieben:

    https://andydunkel.net/2023/03/28/eautos-laden-nur-wo/

    Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, ich weiß auch nicht, wo die Reise hingeht und was an Innovationen noch kommt. Ich würde vermuten, dass beides eine gute Zeit parallel seinen Platz findet, je nach Anwendungsfall.

    Gruß

    Andy

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu Anonymous Antwort abbrechen