BMW – Wie ein Unternehmen seine Zukunft verspielt

Dies ist mein fünfter Beitrag zur Zukunft der Mobilität. Hier eine Übersicht der bisherigen Beiträge:

Heute soll es um BMW gehen.

 

# 1 – BMW als Betrüger

Im Rahmen des Dieselskandals musste man bereits eine Millionenstrafe wegen „fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung“ zahlen und zahlreiche Autos zurückrufen. Wie viele Kunden BMW darüber hinaus auf Schadenersatz verklagen, bleibt abzuwarten. Staatsanwaltschaften in München und den USA ermitteln noch wegen Betrugs gegen BMW. Zudem wird derzeit noch in Brüssel wegen illegaler Absprachen ermittelt, weswegen BMW kürzlich 1,4 Milliarden Euro wegen drohender Strafzahlungen zurückgestellt hat. (Quellen hier sowie hier und hier)

 

# 2 – Wahl falscher Partner

Beim autonomen Fahren kooperiert man mit Daimler. Wie Mario Herger richtigerweise kritisiert, „schließt man sich als Unternehmen, das von Software nichts versteht, mit einem Unternehmen zusammen, das von Software auch nichts versteht, um Software zu programmieren“ anstatt mit jenen zusammenzuarbeiten, die beim autonomen Fahren führend sind (Google-Waymo, GM-Cruise, Apple, Zoox, Aurora, Uber, Pony.ai).

Man bleibt im gemachten Nest in Süddeutschland und stellt öffentlich die Zukunftsfähigkeit des Silicon Valley infrage (hier), während man von anderen links und rechts überholt wird.

 

# 3 – Reine Compliance Cars

Während man sich bei Tesla stets fragt „Was müssen wir tun, damit die Kunden das Auto lieben“, sieht man Elektroautos bei BMW eher als Mittel zum Zweck, gesetzliche Regulierungen und politische Erwartungen zu erfüllen.

Der i3 ist ein unfassbar hässliches Auto und wird in der Folge auch hauptsächlich für Carsharing sowie als Firmenwagen genutzt, auf den Unternehmen ihr Logo kleben können um zu zeigen: guckt mal wie modern wir sind.

Das haben diejenigen Mitarbeiter, die die Entwicklung des i3 geprägt haben, schnell verstanden und sind nach China und Kalifornien abgewandert, während Tesla 2017 eine halbe Million (!) Bewerbungen auf 2.500 offene Stellen erhalten hat und auf Platz 6 der beliebtesten Arbeitgeber liegt, hinter Alphabet, Amazon, Facebook, Salesforce, Uber und noch vor Apple. (Quelle)

Dass mit Oliver Zipse nun einer BMW-Chef wird, der sein gesamtes berufliches Leben in der Verbrenner-Industrie gearbeitet hat, stimmt mich auch nicht gerade positiv, was die Zukunft von BMW betrifft.

 

# 4 – Keine vertikale Integration

Bei BMW legt man die Hände in den Schoß und überlässt alles den anderen: den Verkauf an den Endkunden, die Produktion der Batterien, den Aufbau der Ladeinfrastruktur, die Over-the-Air-Updates, Hardware und Software fürs autonome Fahren. Was bleibt dann eigentlich noch übrig in einer Zeit in der ALLE großen Länder Verkaufsverbote für Verbrennungsmotoren angekündigt haben (hier und hier)? Das Biegen von Blech?

Alexander Voigt bringt es auf den Punkt:
„Es ist eine Illusion zu glauben, dass man mit einem horizontal integrierten Unternehmen gegen einen vertikal integrierten Wettbewerber in einer Zeit der Disruption gewinnen kann. Um ein gutes vollelektrisches Fahrzeug zu bauen, müssen Sie vertikal integriert sein und alle Teile der Lieferkette, alle Teile des Fahrzeugs und alle Teile der Dienstleistungen kontrollieren und steuern. Wenn eine neue Technologie auftaucht, müssen Sie Ihr Geschäftsmodell von Grund auf in Frage stellen und anfangen, vom Ende bis zum Anfang zu denken und nicht anders herum. Wenn Sie nicht vertikal und vollständig integrieren, dann konkurrieren Sie mit nur einem Element Ihres Unternehmens gegen ein Universum, das Sie nicht besitzen, verwalten und kontrollieren.
Mit der vertikalen Integration können Sie Design, Engineering, Fertigung und die Balance der Kombination von Soft- und Hardware auf einem Niveau optimieren, das ein besseres Kundenerlebnis sowie mehr Marge und Gewinne bringt. Sie vermeiden Reibungsverluste, die alle anderen durch ständige Interessenkonflikte haben.
Wenn Sie horizontal integriert sind, können Sie nicht einfach in vertikal wechseln, da Sie alle Geschäftspartner verlieren würden und damit Know-how im Haus aufbauen müssen, das Sie heute nicht haben. Dafür braucht man Zeit, die man in einer Zeit der Disruption und schnellen Veränderung nicht hat.
Wenn das nicht wahr wäre, hätten wir längst gesehen, dass große horizontal integrierte Wettbewerber ihre Finanzkraft nutzten, sei es durch Kosten-, Margen- oder Größenvorteile, um die Bedeutung von Tesla, einem vertikal integrierten Unternehmen, zu verringern, zu minimieren und zu marginalisieren. Was wir heute tatsächlich sehen, ist nicht mehr so sehr ein Herausforderer und neuer Spieler, der gegen etablierte Unternehmen gewinnt, sondern ein neues Konzept, um ein Unternehmen aufzubauen, das gegen ein altes gewinnt.“
(hier der gesamte Beitrag von Alexander Voigt)

Besonders offensichtlich ist der Fehler von BMW, den Verkaufsprozess bei Elektroautos den Autohäusern zu überlassen anstatt sie online anzubieten. Die Autohäuser verdienen ihr Geld durch Inspektionen und Reparaturen. Bei Elektroautos fallen viel weniger Wartungs- und Reparaturkosten an. Somit haben die Autohäuser keinerlei Anreiz, Elektroautos statt Verbrenner zu verkaufen.

 

# 5 – Fehlende Effizienz

Der 2018er BMW i3 mit dem 42,2 kWh Batteriepack kommt auf eine kombinierte Reichweite von 246 Kilometern (nach EPA, also weniger geschummelt als nach NEFZ). (Quelle)

Das Tesla Model 3 mit dem 50 kWh Batteriepack kommt auf eine kombinierte EPA-Reichweite von 354 Kilometern. (Quelle)

BMW benötigt also 17,15 kWh je 100km Reichweite und Tesla nur 14,12 kWh. Anbei eine Grafik, die zeigt dass niemand Tesla hier das Wasser reichen kann.

Ein entscheidender Faktor für die Effizienz von Elektroautos ist der Luftwiderstand. Hier sind BMW, Daimler und Audi absolut unterirdisch und das führt zu den Zahlen in der Grafik. Sie haben z.B. Angst, sich vom riesigen, protzigen Kühlergrill zu verabschieden, weil ihre Stammkunden ebenfalls noch nicht verstanden haben, wie wichtig der Luftwiderstand bei Elektroautos ist.

„Der Kühlergrill ist mindestens genauso anachronistisch, wie es die Peitschenhalter waren, die noch bei den ersten Automodellen mit ausgelieferten wurden.“ (Mario Herger)

Dass kein Tesla-Konkurrent in 2019 ein Fahrzeug auf dem Markt hat, das auch nur annähernd mit dem Tesla Model S von 2012 (!) konkurrieren kann, ist ein Armutszeugnis. Nicht einmal die knapp 500.000 Vorbestellungen für das Tesla Model 3 aus 2016/17 schienen bei BMW einen Weckruf zu erzeugen.

Auch die Werte des für 2020 angekündigten Mini Cooper SE können eigentlich nur als schlechter Scherz zu verstehen sein. Selbst von Nissan Leaf und Chevy Bolt wird man nur die Rücklichter zu sehen bekommen (hier die Daten im Vergleich). Stand BMW nicht früher für Sportlichkeit?

 

# 6 – Fehlender langfristiger Blick

Seit Elon Musk bei Tesla in der Verantwortung ist, kommt demnächst bereits der vierte CEO bei BMW ans Ruder (Zipse ab 2019, Krüger 2015-2019, Reithofer 2006-2015, Panke 2002-2006). Die Chefs sind Zeitarbeiter, bei denen die Frage im Raum steht, ob sie überhaupt Interesse daran haben, BMW für die nächsten 10, 20, 30 Jahre aufzustellen oder ob der Fokus eher auf dem nächsten Quartalsbericht liegt.

Vergleichen wir mal BMWs Vision Statement mit einigen anderen.

BMW: „To be the most successful premium manufacturer in the industry“

Tesla: „To accelerate the world‘s transition to sustainable energy“
Facebook: „Connect the world“
Airbnb: „Belong anywhere“
Google: „Organize the world‘s information“
Uber: „Transportation as reliable as running water, everywhere for everyone“

Seht ihr den Unterschied? Andere wollen die Welt verändern, BMW will dort weitermachen wo man vor über 100 Jahren angefangen hat. Man will den alten Spielstand verwalten, während die Zuschauer längst auf dem Weg in ein anderes Stadion sind, mit anderen Spielregeln, wie es Mario Herger einmal formulierte.

Elon Musk formulierte 2016 in seinem zweiten Masterplan, dass er den Autopiloten so weiterentwickeln will, dass erstens die Anzahl der Unfälle um 90% sinkt und zweitens dass dein Auto als Robotaxi Geld für dich verdienen kann. DAS ist ein Ziel für das 21. Jahrhundert, und nicht „lasst uns jedes Jahr ein paar mehr Premiumautos verkaufen“ wie BMW es formuliert.

„The people who are crazy enough to think they can change the world, are the ones who do.“ (aus Apples Think Different Kampagne von 1997)

Apropos Premium: Tesla hat seine Produktionskosten je Auto von Q1/2018 bis Q2/2019 um ca. 35% reduziert (Quelle). Den durchschnittlichen Verkaufspreis hat man jedoch noch stärker reduziert, weil man das Model 3 möglichst vielen Kunden zugänglich machen will.

Tesla könnte es sich ganz einfach machen wie Ferrari, das letztes Jahr 9.300 Autos produziert hat, und wunderbar von den hohen Margen leben mit wenigen Mitarbeitern und wenigen Kunden. Aber über diese Premium-Positionierung, die in BMWs Vision Statement verankert ist, will man eben hinauswachsen.

 

# 7 – Quantität statt Qualität?

Vor zwei Monaten kündigte BMW an, 25 verschiedene Elektro-Modelle (inkl. Hybrid) bis 2023 auf dem Markt zu haben. Das ist bereits in 4 Jahren.

Ich verstehe nicht, warum es so viele sein müssen, denn bisher existiert kein Modell, das auch nur ansatzweise mit Teslas S-3-X-Y mithalten kann.

 

# 8 – Mit Hybrid auf dem Holzweg

BMW setzt voll auf Hybridfahrzeuge. Vor kurzem hat Entwicklungschef Fröhlich noch einmal betont, man sehe Plug-In-Hybride „nicht als Übergangstechnologie“, verbinde damit „das Beste aus beiden Welten“ und gehe davon aus diese „noch mindestens 20, 30 Jahre“ zu verkaufen. (Quelle)

Dabei zeigt der Markt deutlich, dass er kein Interesse mehr an Plug-In-Hybriden hat. Hier die Entwicklung des Anteils von Hybridfahrzeugen (PHEV) an allen Plug-Ins (PEV, also BEV plus PHEV) bei den weltweiten Neuzulassungen.

  • 34% in 2017
  • 31% in 2018
  • 27% in 2019 / Januar bis Mai
  • 24% in 2019 / Juni

(Quelle)

Dass reine Elektroautos die Plug-In-Hybride vollständig verdrängen, ist verständlich aus folgenden Gründen:

  • Die Reichweiten reiner Elektroautos steigen enorm. (Zur Info: Mit Plug-In-Hybriden kommt man gewöhnlich 30 bis 40 Kilometer weit, bevor der Verbrennungsmotor einspringen muss)
  • Die Ladeinfrastruktur verbessert sich enorm.
  • Die Kosten sind viel höher, da sowohl Verbrenner- als auch Elektrotechnologie benötigt werden. Dadurch liegen Anschaffungskosten, Verbrauchskosten, Wartungskosten und Reparaturkosten höher als bei reinen Elektroautos.
  • Die Sicherheit ist geringer gegenüber reinen Elektroautos. (hier)
  • Man muss nun sowohl Flüssigtreibstoff als auch Strom tanken, was nervig ist.

Unter den 10 meistverkauften Elektroautos (inkl. Plug-In-Hybrid) im ersten Halbjahr 2019 ist übrigens kein deutscher Hersteller zu finden. BMW liegt auf den Plätzen 11 und 14, Volkswagen auf 19, von Mercedes in den TOP-20 keine Spur, ebenso wenig von Audi. Teslas Model 3 liegt um Lichtjahre vorn, und das obwohl man auf traditionelle Werbung verzichtet. (hier die Übersicht)

 

„Tesla hat erkannt, dass der wichtigste Schlüssel des Erfolges nicht das Auto, sondern die Batterie ist. Tesla hat erkannt, dass der zweitwichtigste Schlüssel zum Erfolg nicht das Auto, sondern ein Netzwerk an Ladestationen ist. Tesla macht Elektroautos für Autofahrer und nicht für Jute-statt-Plastik-Tagträumer, die sowieso nie ein (neues) Auto kaufen. Tesla hat erkannt, dass Autofahrer nicht mit Verzicht zu ködern sind, sondern nur mit Euphorie und Begeisterung. Um Euphorie und Begeisterung für Elektrofahrzeuge aufkommen zu lassen, suchte und fand Tesla ein Feature, das Verbrenner alt aussehen lässt: Das Feature heißt Beschleunigung. Tesla hat mit Musk einen charismatischen CEO, der polarisiert und es brillant versteht, immer wieder Aufmerksamkeit zu generieren. Tesla hat sich von einem Autohersteller zu einem Energiekonzern gewandelt. Tesla verkauft nicht nur Autos, sondern das Gefühl, die Welt zu verbessern. Der aber wirklich größte Verdienst von Tesla fehlt in dieser Liste: Tesla hat einer uninspirierten, rückständigen und selbstgefälligen Industrie derart den Hintern versohlt, dass dieser nun nichts anderes übrig bleibt, als die ehemals belächelten Ideen kleinlaut und schnellst möglich zu kopieren.“ (Patrick Toggweiler)

 

57 Gedanken zu „BMW – Wie ein Unternehmen seine Zukunft verspielt

  1. Tabellenkalkulation versus Vision am Beispiel Daimler Strategie 2020 und Tesla Battery Day

    „Der Unterschied liegt auch an der Führungsstruktur. Es ist nicht unbedingt so, dass der Daimler-Vorstand dämlich ist, ganz im Gegenteil. Es sind vielmehr die Rahmenbedingungen eines 130 Jahre alten Unternehmens, wo die Gründer und Gründerfamilien schon lange nicht mehr aktiv sind und somit auf 4 Jahre bestellte Vorstände in dieser Zeit kurzfristige Ziele erreichen müssen, um den Shareholder Value zu erhöhen und die Investoren zufrieden zu stellen. Eine kostenintensive, langfristige Umstellung des Unternehmens – zum Beispiel auf Elektroantrieb – vorzunehmen, die erst nach dem Ende des Vorstandsmandat (wenn überhaupt) sich rentiert, wird in solch einer Struktur kein Vorstand vornehmen, ohne sich selbst ins Fleisch zu schneiden. Kosteneinsparungen heute führen zu raschen, kurzfristigen Profitabilitätssteigerungen, und damit einem guten Bonus, aber langfristig zum Tod des Unternehmens, weil es keine konkurrenzfähigen Produkte mehr im Portfolio hat.“

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