Montags frei – Mein Erfahrungsbericht nach 5 Monaten

Seit Anfang Dezember arbeite ich nur noch 32 Stunden pro Woche, von Dienstag bis Freitag (hier mein damaliger Beitrag), obwohl ich Single, kinderlos, 33 Jahre jung bin und kein kommerzielles Nebenprojekt betreibe – abgesehen von meinen Aktieninvestments.

Jetzt ist es Zeit für eine Retrospektive, in der ich auf Fragen eingehe, die mir dazu immer wieder gestellt werden.

 

Wie fielen die Reaktionen aus?

Mein Chef hat sehr cool reagiert, auch wenn er mich lieber 40h/Woche sehen würde. Auch die Personalabteilung hat mir keine Steine in den Weg gelegt.
Was die Verteilung der 32 Stunden angeht, so war klar: Ich mache es nur, wenn der Montag oder der Freitag gestrichen wird und dies auch so in den Arbeitsvertrag aufgenommen wird. Da wir freitags wichtige Meetings haben, schlug ich den Montag als freien Tag vor und mein Chef war d’accord.

In den darauffolgenden Tagen habe ich es meinen Teamkollegen (einzeln) gebeichtet, die sich für mich gefreut haben, es aber auch schade fanden, dass ich Montags nicht mehr da bin.
Wir gehen sehr offen miteinander um und seit August gab es da keinerlei negative Reaktionen, was super ist!

Meinen Eltern habe ich es erst berichtet, als es fix war – und dann auch erst persönlich vor Ort. Sie waren vor allem überrascht.
Unter Freunden waren die Reaktionen gemischt – einerseits Freude für mich, andererseits Unverständnis.
Absolut überwältigend und motivierend waren hingegen EURE Kommentare und E-Mails im August. Nochmal herzlichen Dank dafür!!

 

Warum das Ganze?

Es ist wie mit der Kugel Eis, die du dir kaufst. Das Eis ist dir mehr wert als deine 1,20 Euro. Dem Verkäufer ist sein Eis hingegen weniger wert als deine 1,20 Euro. Nur so kann der Tausch zustande kommen. Genauso ist es bei mir: Ich verzichte nun jedes Jahr auf den Betrag X, um den mein Nettoeinkommen gesunken ist. Mehr noch: Ich verzichte auf den Betrag Y, den ich mithilfe des Zinseszinseffekts aus dem Betrag X machen könnte. Mein freier Montag ist mir allerdings mehr wert als der Betrag Y.
[Der Einfachheit halber klammere ich mal aus, dass ich an den freien Montagen in mein Humankapital investiere, woraus später höhere Einkünfte entstehen können.]

Vereinfacht kann ich nach fünf Monaten sagen:
Meine Lebensqualität ist durch die zusätzlichen Entspannungspausen ganz erheblich gestiegen. Diese Steigerung wäre durch die Alternative (Konsum statt Freizeit) unmöglich gewesen. Wohlgemerkt: Bei mir. Wie das bei dir aussieht, ist deine Sache.

Ich bin durchweg entspannter – nicht nur am Montag, sondern jeden Tag. Hier seht ihr mich an einem sonnigen Montagnachmittag vor dem Brandenburger Tor – in der Hand ein Starbucks-Kaffee, den ich von einem Teil meiner letzten Starbucks-Dividende bezahlt habe 😉

 

Welche Auswirkungen gab es im Büro?

Ich arbeite in einem fünfköpfigen Entwickler-Team, das wir so aufstellen, dass jeder die Aufgaben von jedem übernehmen kann. Die Anzahl der Köpfe und die Aufgabenbereiche wachsen Jahr für Jahr.

Somit ist die Kapazität für meine Aufgaben im Dezember also nicht um 20% gesunken, sondern intern um 4%, und auf das Projekt bezogen sogar um weniger als 4%, da wir Support von externen Beratern erhalten.

Zudem steigt unsere Produktivität rasant an, sodass wir meine Abwesenheit an den Montagen insgesamt gut wegstecken.

Hinzu kommt, dass ich ohnehin häufiger im Büro bin als der Durchschnittsdeutsche, der 12 bis 17 Tage im Jahr (habe verschiedene Angaben gefunden) krankgemeldet ist. In den 5 Jahren bei meinem Arbeitgeber war ich insgesamt nur 6 bis 8 Tage krank.

Natürlich versuche ich meine Arbeit so einzuteilen, dass möglichst niemand am Montag fortsetzen muss, was ich am Freitag angefangen hatte – und wenn dann setze ich denjenigen am Freitag zum Feierabend kurz auf den neuesten Stand. Dienstags komme ich auch schnell wieder rein, denn wir starten ohnehin jeden Tag mit einem Daily Standup.
Hier muss ich ein dickes Lob an mein großartiges Team aussprechen!

 

Was stelle ich mit der Zeit an?

Arbeit?
Es gab bisher nur einen Montag, an dem ich mal anderthalb Stunden etwas für die Arbeit gemacht habe. Allerdings nicht weil es hieß „Stefan, mach mal bitte“, sondern aus Eigeninitiative.

Schlafen?
Nach fünf Monaten kann ich sagen, dass ich Sonntagnacht nicht länger schlafe als vorher. (etwas überraschend für mich, gerade im Winter)

Futtern?
Viele Restaurants in Berlin sind werktags mittags 30 bis 60 Prozent günstiger als abends oder am Wochenende. Das nutze ich aus und gehe Montags häufig in eines meiner Lieblingsrestaurants.

Freunde/Familie?
Mehr Zeit mit Freunden und Familie kann ich montags zwar nicht verbringen, aber dafür ist die Wahrscheinlichkeit nun höher, dass ich Sa./So. Zeit für sie habe.

Sport?
Dass ich häufiger Tennis spiele, kann ich zwar nicht behaupten (meine Partner haben ja nicht öfter Zeit), aber es ist angenehmer für den Kopf – und beim Tennis ist der Kopf sehr entscheidend – wenn man am Wochenende spielt und weiß, am Montag ist Entspannung angesagt.

Reisen?
Jahreszeitbedingt (ich bin ein Winter-Reisemuffel) hat sich hier bislang nichts geändert.

Blog?
2018 hatte ich bis zum 11.05. nur 5 Beiträge veröffentlicht.
2019 waren es bereits 10.

Investments?
Ich beschäftige mich mit meinen Investments nicht mehr als zuvor. Abgesehen von Tesla habe ich auch immer nur den ETF aufgestockt seit November.

Wissen?
2016 und 2017 habe ich viele Bücher gelesen, 2018 deutlich weniger. Dieses Jahr bin ich wieder voll dabei, las dieses Jahr bereits viereinhalb Bücher:
eine kritische Auseinandersetzung mit EU/Euro (170 Seiten),
über Gegenwart und Zukunft der Mobilität (470 Seiten),
die Arnold-Schwarzenegger-Autobiografie (660 Seiten),
die Elon-Musk-Biografie (370 Seiten),
die Phil-Knight-Autobiografie (160 Seiten bisher).
Dazu kommt, dass ich keine Nachrichten konsumiere und mich stattdessen intensiv mit wenigen Themen auseinandersetze, im letzten halben Jahr beispielsweise ca.:
10 bis 15 Stunden mit dem Klima,
20 bis 30 Stunden mit autonomem Fahren,
40 bis 50 Stunden mit Elektromobilität.

Sonstiges?
Dinge wie Einkaufen, Putzen, Wäsche waschen oder Friseurtermine sind natürlich weniger nervig, wenn man ein 3-Tage-Wochenende hat.

Entspannung?
Unterm Strich bleibt noch jede Menge Zeit für Entspannung. So habe ich mir im letzten halben Jahr nicht nur eine PlayStation gekauft und Netflix abonniert – ich kann auch absolut unterschreiben, was mir ein Leser im August in einer langen E-Mail geschrieben hatte (er macht es genauso wie ich): „Ich nutze den Extra-Tag nicht für ein konkretes Projekt oder Hobby. Es ist einfach wichtig, eine gewisse Zeit pro Woche zu haben, in der man einfach seine Seele baumeln lassen kann. Man kann es vielleicht auch als Mini-Urlaub sehen, Abstand vom Alltag zu bekommen und seinen Gedanken mehr Freiraum zu geben […] Auf meinem Sterbebett werde ich sicher nicht sagen, hätte ich doch bloß noch diese 8 Extrastunden pro Woche gearbeitet!

 

13 Gedanken zu „Montags frei – Mein Erfahrungsbericht nach 5 Monaten

  1. Schön, dass dir die freie Zeit so gut tut, Stefan.

    Das Zitat zum Schluß kann ich nur unterscheiben. Es herrscht zu oft der Eindruck, wir Menschen müssten immerzu irgendetwas erreichen, schaffen und produzieren. Es geht dann um die Zukunft, anstatt einfach mal im Hier und Jetzt ZU SEIN und vielleicht nichts zu tun.

    Auch wenn ich mich nicht ganz von den gesellschaftlichen Normen befreien kann – bei mir ist es der feste Kraftsporttermin (die Pflicht 😉 ) am freien Montag -, genieße ich das Bewußtsein, meinen persönlichen Freiheitstag jetzt schon zu haben und das ganze „Gelderwerbsdingens“ außen vor lassen zu können. Schon die Vorfreude am Sonntag….

    Ein schönes Privileg, welches wir genießen dürfen.

    Ein guter Freund von mir reduziert jetzt auch die Arbeitszeit um 10%, um mehr Urlaubstage zu bekommen. Ist ihm mehr wert als die Kohle. Unsere Generation tickt da wohl anders als die unserer Eltern.

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  2. Hey Stefan,
    coole und auch Rationale Entscheidung. Bei deiner Rechnung oben fehlt noch die Steuer und Abgabenprogression für nichtselbstständige Arbeit. Sprich man wird vom Staat, zumindest in Deutschland, aktiv bestraft wenn man mehr zu arbeitet. Von da aus einfach nur Logisch.
    Ich mein eine gewisse Progression gibt es auch in CH, diese ist weitaus Humaner als hierzulande.

    @Freelancer Sebastian
    Ich glaube das es weniger an den Generationen mehr an den Anreizsystemen liegt.

    Gruß,
    Pascal

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    • Genauso sehe ich das auch (Steuer, kalte Progression). Ich bin 52, habe immer Vollzeit gearbeitet. Nun denke ich auch nach, nachdem mein Mann aufgrund von Stress Probleme mit dem Herz bekam und meine Mutter alt und wunderlich wird. Ich habe das Gefühl: ich arbeite und arbeite, am Ende werde ich bestraft (Minuszinsen auf Erspartes, Lebenszeit eingegrenzt, um die Betriebsrente 3x besteuert / betuppt und bei doppelten Krankenversicherungbeiträgen abkassiert. Ich denke immer: die wollen Lohndumping, Rentendumping, damit wir sehr lange arbeiten und dann ins Grab springen, damit einige Wenige mit dem vielen Geld die Freiheit genießen können. Aber die Gesellschaft schnallt das nicht. Deutschland scheint nur die Arbeitskraft zu haben, wenn wir schon keine Rohstoffe (wie Russland, Norwegen) oder keine Finanzoasen (Singapur, Schweiz) besitzen. Es scheint so, als wäre man eine geistig minderbemittelte Arbeitsbiene, die am Ende aus dem Nest geworfen wird, wenn nicht mehr arbeitsfähig !!!!!

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  3. Hi Stefan,
    cool, dass das bei dir so gut klappt! Montags frei ist ideal. Ich habe letztes Jahr auf 35h reduziert und will das so beibehalten. Habe nun wieder mehr Zeit zum Lesen und der Haushalt bleibt nicht mehr so liegen. Generell habe ich das Gefühl, meine Zeit effektiver zu nutzen.

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  4. Hallo Stefan,
    bin über den Blog vom Finanzwesir auf deinen Blog gestoßen.
    Interessanter Beitrag, auch ich (41 Jahre alt) denke immer öfters darüber nach, die Arbeitszeit um einen Tag pro Woche zu reduzieren. Arbeit macht zwar Spaß, aber Arbeit ist eben nicht alles!
    Von daher bin ich immer an Erfahrungsberichten interessiert!

    Grüße,
    Jörg

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  5. Ich kann nur bestätigen, dass eine 4-Tage-Woche ein erheblicher Mehrwert in Sachen Zufriedenheit und Entspannung bringt. Ich mache das seit letztem Jahr so, bei mir ist der Freitag frei (vertraglich fixiert auf Jahresbasis, die Verlängerung für dieses Jahr hat problemlos geklappt). Ich habe viel mehr Zeit für die Dinge, die mir Spass machen: viele Kurzreisen, kleine Wanderungen, mit Freunden treffen usw. Ich geniesse das sehr, vor allem, weil ich vor der Verkürzung regelmäßig über viele Jahre hinweg in Großprojekten eingebunden war mit 50-70 Wochenstunden. Das niedrigere Gehalt hat mich nicht gestört, da ich einen recht einfachen Lebensstil pflege – es bleibt trotzdem noch Geld zum Anlegen übrig, es ist nur weniger als in Vollzeit. Damit kann ich sehr gut leben, weil der Mehrwert der zusätzlichen Freizeit so groß ist 🙂

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  6. Hey Stefan!

    Ich vermute mal, Du meinst mit dem „Leser im August“ mich, das Zitat klingt sehr nach einem meiner Mottos :-).
    Freut mich sehr zu hören, dass Du diesen Schritt gemacht hast! Gleichzeitig muss ich sagen, dass es mich nicht wundert, dass das so glatt gelaufen ist.
    Kleines Update zu meinem E-Mail von damals: mittlerweile habe ich Arbeitgeber gewechselt und wiederum eine Einigung auf eine 4-Tage Woche erzielt, war sehr einfach. Zudem gabs ein höheres Gehalt, hat sich also unterm Strich ausgezahlt.
    Jedem der mit dem Gedanken spielt, sowas ähnliches zu machen rate ich: einfach mal probieren, es ist einfacher als man glaubt!

    Liebe Grüße,

    Sepp

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  7. Hallo zusammen,
    was meint ihr, ist es auch machbar die Stelle auf 50% oder sogar 25% umstellen?

    Die Frage beschäftigt mich für meine Zukunft, wenn ich von meinen Erträgen leben kann, aber dennoch ein Fuß in der Arbeitswelt mit einem „Nebenjob“ belassen will

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    • In unserer Firma haben wir mal eine zeitlang den Freitag frei gehabt, das war auch sehr entspannt. Montag ist aber irgendwie noch sinnvoller denke ich 🙂

      Aber man kommt manchmal schon etwas in Zeitdruck. Ob man dann wirklich auch mit 2 oder 3 Tagen die Woche auskommen würde? Kommt wahrscheinlich auf den Job an 🙂 Probieren würde ich es sehr gerne mal… 😀

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  8. Meine Reaktion auf Deinen Artikel ist zwar schon sehr spät, aber ich habe ihn erst bei einer Internet-Recherche über ein persönliches „Problem“ gefunden.

    Ich bin selbständig und kann mir meine Zeit einteilen, wie ich will.

    Dabei habe ich festgestellt, dass ich überhaupt kein Problem habe, am Freitag NICHT MEHR arbeiten zu müssen, aber eine innerliche Sperre dagegen habe, am Montag NOCH NICHT arbeiten zu müssen.

    Fun-Fact: Wenn ich an einem Freitag (den ich mir schon seit 10 Jahren komplett für meine persönlichen Dinge freigeschaufelt habe) dann einmal doch arbeite, dann macht mir an diesem Tag die SELBE Arbeit, die mich am Donnerstag genervt hat, Spass.

    Daher finde ich es so interessant zu lesen, dass Du den Montag so geniessen und nutzen kannst.

    Hast Du das von mir geschilderte Problem nie gehabt?

    Liebe Grüße aus Wien
    Michael

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