Was halten deine Nerven aus?

Ich spiele mit dem Gedanken, meine Aktienquote durch den Aufbau von Cash herunterzufahren von 80-90% auf 65-75% und diese dann langfristig dort zu belassen.

Die Börse ist volatil. Zweimal kam es in den letzten 17 Jahren vor, dass die großen Indizes MSCI World und S&P 500 um ca. 55% in die Tiefe rauschten.

Eine Frage sollte sich jeder Kleinaktionär stellen: Wie hoch ist der maximale Vermögensrückgang, den man aushält, ohne panikartig Aktien zu verkaufen? Aus der Beantwortung dieser Frage leitet sich dann die maximale Aktienquote ab.

Nehmen wir als Worst Case einen Rückgang des Depotwerts von 50% an. Bei einer Aktienquote nahe 100% sollte der Aktionär also einen Vermögensrückgang von 50% aushalten. Bei einer Quote von 50% wären es 25%. Und so weiter. Das ist die einfache Rechnung.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Viele von euch stehen wie ich am Anfang ihrer Investorenkarriere und sagen sich: Meine monatlichen Investitionen sind noch sehr hoch im Verhältnis zum Depotwert. Also wird mein Depotwert um weit weniger als 50% zurückgehen, selbst wenn meine Aktien in den nächsten 18 Monaten um 50% fallen.

Und damit haben wir Recht. Aber was heißt das genau?

Zur Beantwortung dieser Frage habe ich mir meine Excel-Tabelle geschnappt, die ich bereits im Artikel „Durchgerechnet: 18 Jahre monatliches Investieren in Aktien“ vorgestellt hatte.

Von all meinen 138 Beiträgen hat mir dieser Beitrag am meisten gebracht. Die Erkenntnisse aus meiner Rechnung waren für mich selbst unheimlich wertvoll. Ich denke, vielen von euch geht es genauso, denn es war bisher der Beitrag mit den drittmeisten Aufrufen.

Ich habe meine Tabelle ein wenig angepasst.

Eingaben und Annahmen

  • monatliche Investitionen in konstanter Höhe (entsprechend meiner jetzigen Investitionshöhe) von Februar 2017 bis April 2033
  • 1,7% Dividendenrendite (nach Steuern), reinvestiert
  • Berücksichtigung von Ordergebühren (10€ pro Order) und Steuern auf Dividenden (30%)
  • Es wird ein Worst Case Szenario simuliert: Für die Zeit von Februar 2017 bis April 2033 wird der Kursverlauf angenommen, den der S&P 500 von September 2000 bis November 2016 durchlaufen hat, also seit dem Höhepunkt des Dotcom-Wahnsinns (das dürfte einer der schlechtesten 16-Jahres-Zeiträume der letzten 80 Jahre gewesen sein)
  • Ausgangspunkt für die Entwicklung von Depotwert und Buchgewinnen/-verlusten sind meine bisherigen Investitionen und mein aktueller Depotstand

Ergebnis Krise 1

  • maximaler Buchverlust seit 2017: 30%
  • maximaler Depotwertrückgang seit 2017: 14%

Ergebnis Krise 2

  • maximaler Buchverlust seit 2017: 36%
  • maximaler Depotwertrückgang seit 2017: 47%

Erkenntnisse / Schlussfolgerungen

Die 14% sind weit niedriger als ich dachte. Obwohl der Rückgang des S&P 500 in beiden Krisen etwa gleich hoch war, fällt der Depotwertrückgang in Krise 1 sehr viel geringer aus als in Krise 2. Das liegt daran, dass die monatlichen Investitionen anfangs noch sehr hoch sind im Verhältnis zum Depotwert.

Beginnt der Crash nicht sofort, sondern erst in 1-2 Jahren, dann würde es natürlich nicht bei nur 14% bleiben.

Die 14% beruhigen mich. Die 30% Buchverlust in Krise 1 würden stärker schmerzen.

Alles in allem sagt mir mein Bauchgefühl, dass eine Aktienquote von 85-100% für mich nicht geeignet ist. Ich gehe wohl lieber mit 65-75% in meinen ersten Bärenmarkt. Verkäufe, um meine Aktienquote zu senken, kommen für mich aber nicht infrage. Sollte ich meine Aktienquote (derzeit ca. 80%) tatsächlich senken, so werde ich das über das Nicht-Investieren lösen. Doch selbstverständlich werde ich auch in den kommenden Wochen die Augen offen halten nach „seltenen, schnellen Elefanten“, wie Warren Buffett sagt – also Kaufgelegenheiten, die sehr selten kommen und nicht lange anhalten. Mein Gewehr ist geladen.

Tabelle

Die zusätzliche Angabe absoluter Zahlen wäre für euch sicher noch sinnvoller. Die absolute Höhe meines Vermögens, meines Gehalts und meiner Investitionen werde ich aber nach wie vor nicht im Blog veröffentlichen.

Dafür präsentiere ich euch jetzt die Excel-Tabelle, in der ihr lediglich 4 Werte (Depotwert, bisherige Investition, monatliche Investition, Gebühr pro Order) eintragen müsst. Dann seht ihr, was ich für mich durchrechnen lassen habe, also den monatlichen Verlauf des Depotwerts und der Buchgewinne/-verluste (absolut und relativ) sowie des maximalen Depotwertrückgangs. Und das alles für die nächsten 16 Jahre auf Basis der oben genannten Annahmen.

durchgerechnet.xlsx

Falls ihr Fehler findet, weist mich gern darauf hin. Das kann schon passiert sein. Immerhin habe ich Excel und Artikel nach einem Arbeitstag erstellt.

Selbstverständlich funktioniert die Rechnung auch für diejenigen unter euch, die noch keine Aktien besitzen. Dann lasst den Depotwert und die bisherige Investitionshöhe einfach bei 0 Euro.

 

13 Gedanken zu „Was halten deine Nerven aus?

  1. Cash ist King!
    Bei OnVista bekommst du ab 2.000 € Cash jeden Monat einen Freebuy, bei 3.000 € 2 Freebuys usw. für Buy & Hold evtl. ganz gut 🙂

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    • Das bedeutet, dieser Betrag muss vom ersten bis zum letzten Tag des Monats ohne Unterbrechung unverzinst auf dem Depotkonto herumliegen?

      Für Leute, die ohnehin einen Kauf pro Monat tätigen, würde das eine Ersparnis von ca. 120 Euro pro Jahr gegenüber der Consorsbank bedeuten. Quasi 6% „Zinsen“. Nicht übel. Bleibt nur die Frage nach den sonstigen Vor- und Nachteilen von Onvista.

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      • Mein letzter Kauf hat 81 Cent gekostet, schätze mal das sind die Börsengebühren. Nachteil ist das es extrem benutzerunfreundlich ist. Macht keinen Spaß. Aber den brauche ich auch nicht bei meinem Online Broker. Außerdem bekomme ich nie Post und keine vernünftigen PDF in denen alles zum Kauf steht. Ob es eine Jahreszusammenfassung gibt weiß ich nicht mehr, aber wird wohl gesetzlich verpflichtend sein.

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        • Ich nutze Onvista auch für Freebuys, da die „Verzinsung“ auf die z.B. 3.000€ für 2 Freebuys einfach extrem gut ist. Da lohnen sich dann auch kleinere Käufe und man kann kontinuierlich über die Monate immer wieder mal was nachkaufen. Kostenlose Sparläne gibt es auch eine Menge für wen das interessant ist.
          Die Benutzeroberfläche ist allerdings tatsächlich eine Katastrophe, ich war mittlerweile bei fast jedem der gängigen Online Broker und Onvista gewinnt bei der Nutzerfreundlichkeit der Seite definitiv die goldene Ananas 😛
          Die Jahressteuerbescheinigung hatte ich allerdings Freitag in der Post.
          Gruß
          Jonas

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  2. Ich spiele auch mit dem Gedanke die cash-Quote zu erhöhen. Allerdings gibt es mir zu denken, dass nur wenige „sehr gute“ Tage an der Börse die Rendite über ein Jahre bzw. auch länger ausmachen können. Das bedeutet, wenn man an diesen wenigen Tagen nicht investiert ist, geht die Rendite deutlich runter. Das gilt aber wahrscheinlich auch für den gegenläufigen Effekt bei einem crash. Da ich aber sowieso mind. 10 Jahre die Aktien haltige, werde ich nichts verkaufen. Aber die cash-Quote kann man ja erhöhen. Was ich versuche zu vermeiden, eine Aktie beim absoluten historischen Höchststand zu kaufen. Beruhigter bin ich, wenn sie ca. 15-20 % unter diesem notiert.

    Glück auf!

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    • Mir ist der Abstand zum Allzeithoch egal. Ein Unternehmen auf Allzeithoch kann 30% unter dem fairen Wert notieren. Ein Unternehmen 70% unter Allzeithoch kann über dem fairen Wert notieren.
      Ich habe Tyson Foods am 26.10.2015 nah am Allzeithoch gekauft. Mein Cousin (ca. 15 Jahre Börsenerfahrung) sagte mir, ich sei wahnsinnig, am Allzeithoch einzusteigen. Jetzt 1,3 Jahre später notiert die Aktie 45% höher. Zwischenzeitlich waren es schon mal 72%.
      Church & Dwight springt seit 16 Jahren von einem Allzeithoch zum Nächsten: https://stefansboersenblog.files.wordpress.com/2016/10/church-dwight-sp-500.png
      (blau: Church & Dwight; rot: S&P 500)

      Ich analysiere Unternehmen und Konkurrenz. Dann schaue ich aufs KGV von Unternehmen und Konkurrenz. Dann schaue ich auf den KGV-Verlauf der letzten 10 Jahre sowie den Verlauf der Unternehmenskennzahlen der letzten 10 Jahre und überlege mir ein faires KGV. Je nach Unternehmen und Lage bzw. aktuellen Risiken verlange ich dann noch eine Sicherheitsmarge.

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      • Ok, da habe ich wahrscheinlich zu wenig geschrieben. Natürlich orientiert man sich zunächst um Grundpfeiler der Aktienauswahl: Abschätzung intrinsischer Wert (DCF-Analyse), Berechnung der aktuellen Sicherheitsmarge sowie wesentliche weitere Faktoren, die ich als Punktesystem für meine watch-list führe. Hier gehen Faktoren wie Verschuldung, Gewinnmarge, Marktstellung / Konkurrenz / Burggraben, Qualität des Managements sowie historische Wertschöpfung der Aktie mit ein. Erst zum Schluss vergleiche ich noch den aktuellen KGV mit dem historischen Durchschnitt sowie die Notierung zum Allzeithoch. Eine Nähe zum Allzeithoch gibt halt einen faden Beigeschmack beim Kauf, da ich nicht das Gefühl bekomme ein Schnäppchen gemacht zu haben, sondern eher auf einen laufenden Zug aufspringe (mehr Spekulation als Investition).

        Übrigens, nach meinem Verständnis hat der Begriff der Sicherheitsmarge nichts mit dem KGV zu tun. Die Marge ergibt sich aus dem Unterschied zwischen aktuellen Marktkapitalisierung und dem intrinsischen Unternehmenswert, berechnet nach der DCF-Analyse (discount cash flow). Wer dies nich selber machen möchte, kann z.B. bei GuruFocus rechnen lassen. Ich habe das einmal für ein paar Unternehmen parallel nachgerechnet und es stimmt ganz gut. Man muss aber aufpassen, dass der Unterschied zwischen growth und terminal value nicht zu hoch wird, da sonst unrealistisch und nicht konservativ genug abgeschätzt.

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  3. Berechtigte Fragen, die Du hier aufwirfst. Allein ich kann nur sagen: ich weiß nicht, wie sich die Börsenkurse verhalten werden (volatil, rauf, runter…) Per Definition kann es daher nicht den richtigen Zeitpunkt geben, um die Aktienquote zu senken.

    Dennoch, mit 80-100% Aktienquote bist Du in der Tat sehr aggressiv investiert. So manche Asset Allocation sieht niedrigere Quoten für Aktien vor. Der nicht in Aktien investierte Teil kann neben Cash ja auch noch in andere Asset Klassen fließen. Was meinst Du?

    Gern verweise ich auf folgenden Artikel, der hier weiterführend interessant sein könnte: https://meinefinanziellefreiheit.com/2016/10/06/welche-investments-soll-ich-taetigen-fuenf-goldene-regeln-fuer-die-richtige-asset-allocation/

    Viele Grüße,
    FF

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    • Ich bin mit Tagesgeld als 2. Anlageklasse hochzufrieden.

      Die Rechnung
      Aktienquote = 100 – Lebensalter
      ist mir zu einfach. Neben dem Alter sollte man viele weitere Faktoren berücksichtigen.
      Welchen Grad an Vermögensschwankungen hält die eigene Psyche aus? Wie groß muss der „Notgroschen“ sein, um ruhige Nächte zu haben?
      Wie hoch sind die monatlichen Einnahmen im Verhältnis zu den monatlichen Ausgaben/Fixkosten? (hier spielt auch die Verschuldung eine Rolle)
      Wie sicher ist der Job? Wie hoch ist die Kündigungsfrist?
      Wie wahrscheinlich ist es, dass man nach einer Kündigung schnell einen gleichwertigen Job finden würde?
      Wie hoch sind die derzeitigen Ansprüche auf Rente/Arbeitslosengeld im Verhältnis zu den monatlichen Ausgaben/Fixkosten?
      Wie groß ist das soziale Netz, das einen in schwierigen finanziellen Situationen auffangen könnte?
      usw.

      Viele Grüße, Stefan

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  4. Die Cash-Quote ist immer eine Sache, ich persönlich halte Sie gering, liegt aber auch daran, dass ich ein Dividendenstratege bin.

    Ich finde 10 % ist vor allem in jungen Jahren das Maximum, alles darüber, da schmerzt die fehlende Rendite.

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  5. Also ich habe schon 2 Bärenmärkte miterlebt. Der erste war brutal, da die schönen Kursgewinne dahinschmolzen. Stichwort Neuer Markt, der 90 Prozent an Wert verlor. Daher kann ich nur empfehlen, mit Stop Loss Limits zu arbeiten. Eine Aktienquote von Null Prozent im Bärenmarkt finde ich persönlich die beste Strategie. So war es bei mir 2008/2009. Man sieht die Kursverluste, ist völlig entspannt und kann dann mit richtig Cash wieder günstig einkaufen, wobei man den Tiefpunkt natürlich nie erreicht. Das schafft niemand, aber man kann sukzessive in den Markt einsteigen. Dabei hilft mir immer die Charttechnik. Viele Grüße

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